Der Ex-NPD-Chef und neue EU-Abgeordnete Voigt will im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres „Menschenrechtsverletzungen in der EU thematisieren“ – gemeint sind von ihm Fälle wie der des notorischen Holocaust-Leugners Horst Mahler oder der griechischen Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“.
Von Tomas Sager
Udo Voigt fühlt sich, wieder einmal, missverstanden. Und so tat er in der vergangenen Woche sogar per Pressemitteilung kund, er sei gar nicht „Antisemit“ und auch kein „Holocaust-Leugner“. Zwei Tage zuvor war bekannt geworden, dass dem Ex-NPD-Vorsitzenden im neuen Europaparlament ein Platz im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zugeteilt worden ist: Voigt ausgerechnet in dem Ausschuss, der über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wacht und über Fragen der Migrationspolitik diskutiert. Die Kritik war groß. „Jeder, der den Holocaust leugnet und gegen Menschenwürde, Demokratie und Vielfalt ist, wird bei mir auf großen Widerstand stoßen“, kündigte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) schon einmal an.
Abgeordnete anderer demokratischer Parteien meldeten sich zu Wort und auch Stephan J. Kramer, der ehemalige Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland. Voigts Mitgliedschaft im Innenausschuss sei „ekelhaft und ein Schlag ins Gesicht aller demokratischen ParlamentarierInnen“, schrieb Kramer in einem Gastbeitrag für „Die Welt“. Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrates, empörte sich, mit Voigt sitze gerade in jenem Ausschuss ein Mann, „der Adolf Hitler als ,großen Staatsmann’ und die Bundesrepublik Deutschland als ,illegitimes System’ einordnet – ein vorbestrafter Volksverhetzer, der die Waffen-SS glorifiziert und den Holocaust verharmlost“.
Braunes Fußvolk tobt sich im Politikerprofil auf Facebook aus
Es war zu erwarten, dass Voigt insbesondere gegen Knoblochs und Kramers Kritik wettern würde. Antisemitismus eint schließlich sein Lager. „Besonders verwunderlich“ seien „die lautstarken Proteste gerade jüdischer angeblicher ,Menschenrechtler“, ereiferte er sich also in seiner Pressemitteilung und ließ sich wörtlich so zitieren: „Wo sind diese Herrschaften einschließlich der unvermeidlichen Charlotte Knobloch, wenn es um die Menschenrechte in Palästina geht? Stoppen Sie die Luftangriffe auf Zivilisten im Gazastreifen – dann können Sie meinetwegen über Menschenrechte reden!“
Seine Anhängerschaft mochte sich aber mit der Voigtschen Art von Antisemitismus, der im Zweifelsfall gar keiner zu sein behauptet, nicht zufrieden geben. In den Kommentarspalten seines Politikerprofils bei Facebook tobte sich der Hass auf Juden ungebremst aus. Und vor allem der Hass auf Knobloch. „Die war im Krieg was weiß ich wo. und jetzt voll Kohle ziehen damit. Da sieht man warum man diese Juden damals schon net mochte!“, meint einer der Kommentatoren. „Wann beisst die alte ins gras das endlich ruhe ist mit dem dämlichen ansagen“, fragt sich ein anderer. „Die Alte kommt doch nur zum Hetzen. Ab nach Israel“, empfiehlt ein dritter. Dabei will es ein anderer nicht belassen; er rät knapp, aber unmissverständlich: „AUSROTTEN“.
„Ein guter Platz“ für rechtsextreme Agitation
Voigt würde so nicht formulieren. Er belässt es bei antisemitischen Chiffren und Anspielungen. Sein Publikum versteht auch so. Der Rat an Knobloch, sie möge erst einmal die Bombenangriffe auf Gaza stoppen, ehe sie sich öffentlich zu Wort meldet, ist das aktuelle Beispiel. Die Plakate mit dem Slogan „Gas geben!“ und dem Voigt-Konterfei, die die NPD vor drei Jahren im Wahlkampf für das Berliner Abgeordnetenhaus aufhängte, auch vor dem Jüdischen Museum und dem Holocaust-Mahnmal, sind unvergessen. Kommt Kritik auf, will es Voigt so nicht gemeint haben. Wie sein braunes Fußvolk denkt und spricht, ist aber beim „Offiziellen Politikerprofil des NPD-Europaabgeordneten“ auf Facebook nachlesbar.
Voigt lässt derweil durchblicken, was von ihm künftig in der „Demokratie-Simulation“ des Europaparlaments zu erwarten ist. Gerade im Innenausschuss werde er ab sofort reichlich Gelegenheit haben, „Menschenrechtsverletzungen in der EU zu thematisieren“. Was er damit konkret meint, verrät er auch: Einsetzen will er sich etwa für den notorischen Holocaust-Leugner Horst Mahler, der, nach Voigts Lesart, „wegen Meinungsäußerungen über zwölf Jahre Haft absitzen muss“, und für die griechische Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“, gegen deren führende Funktionäre unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird.
Zuständig ist Voigts Ausschuss laut Geschäftsordnung des Parlaments unter anderem für den Schutz der Bürger-, Menschen- und Grundrechte, für den Schutz von Minderheiten und die Bekämpfung von Diskriminierung, für Migration und Asyl sowie für eine Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts. Ein besseres Agitationsfeld hätte sich für den Vertreter einer Partei, die allgemeingültige Menschenrechte in Zweifel zieht, gegen Minderheiten ins Feld zieht, Migration als „Überfremdung“ und Vorbereitung zum „Volkstod“ ablehnt und glaubt, dass Volksverhetzung straffrei abgehen soll, kaum finden lassen. Auf seiner Homepage ist die Pressemitteilung unter der Überschrift „Ein guter Platz für Udo Voigt“ zu finden.