In Gundelfingen wird es vorerst keine Asylunterkunft geben: Plänen, auf dem Gelände einer Freikirche Platz für 40 Flüchtlinge zu schaffen, erteilte der Bürgermeister eine Absage. Das Landratsamt reagiert zerknirscht.
Viele Gundelfinger waren irritiert oder zumindest stark überrascht angesichts des Verlaufs der Infoveranstaltung zu einer geplanten Unterkunft für 40 Flüchtlinge. Die evangelische Freikirche wollte ein 1000 Quadratmeter Grundstück bereitstellen, der Landkreis darauf bauen. Doch Bürgermeister Reinhard Bentler sieht den Standort im Herzen der Gemeinde als nicht geeignet an, was ihm ein Polizist bestätigt habe.
"Die Nachbarn haben Ängste geäußert, eine Person ist fast
zusammengebrochen", sagte Bentler. Er sprach von 40 afrikanischen,
jungen Männern, die kommen werden. Gundelfingen sei sehr eng bebaut und
die Situation mit den angrenzenden Gärten würde einem Bau widersprechen.
"Es scheitert nicht am guten Willen, aber wir haben einfach eine
spezielle Situation im Ort." Man könne nicht nur nach der Einwohnerzahl
gehen, sondern müsse auch die Fläche berücksichtigen. "Neustadt ist zum
Beispiel zehnmal größer", behauptete der Bürgermeister.
Laut Bentler wolle die Freikirche den Platz direkt vor ihrem Gotteshaus
frei halten, weil sie dort erweitern möchte. Dann hätte die
Sammelunterkunft nur neben den Gärten der Nachbarn Platz. "Ich habe
einen Mitarbeiter der Landespolizeidirektion um eine Einschätzung
gebeten. Er hat gesagt: Liebe Gemeinde, dieser Standort ist nicht
geeignet", so Bentler.
Stefan Jung, der Pastor der Freikirche, berichtete von E-Mails, Briefen
und Gesprächen mit Anwohnern. Auf 60 bis 70 Personen schätzt er den
Personenkreis, der Druck auf die Kirche ausgeübt habe. "Ich bedauere es,
wenn unsere Idee für Ängste und schlaflose Nächte gesorgt hat. Wir
wollen keine Lösung gegen die Nachbarschaft durchsetzen", sagte Jung. Er
respektiere die Entscheidung: "Wenn das politisch nicht gewollt ist,
dann ziehen wir uns zurück." Mit Bentler habe er jüngst sehr viel
telefoniert. Er wehrte sich gegen Darstellungen des Bürgermeisters,
wonach sich die Freikirche gegen einen Standort direkt neben der Kirche
ausgesprochen habe. Man hatte geplant, dass der Architekt der Freikirche
und der Architekt des Landkreises gemeinsam einen Entwurf ausarbeiten.
"Doch so weit sind wir gar nicht gekommen."
Die Sozialdezernentin des Landkreises, Eva-Maria Münzer, erschien
komplett in Schwarz: Kleid, Nagellack und Brillengestell waren
aufeinander abgestimmt. Nicht ohne Grund, denn erst am
Donnerstagvormittag hatte Bentler sie über die Entscheidung in Kenntnis
gesetzt, was sie sehr bedauerte. Eigentlich waren mehr Podiumsgäste
eingeladen, die den Gundelfingern aus ihren Erfahrungen mit
Asylbewerbern berichten sollten – doch vielen wurde offenbar sehr
kurzfristig abgesagt. "Mit der Freikirche hatten wir einen starken
Partner an unserer Seite, das hatten wir noch nie", sagte Münzer. Sie
konnte nicht nachvollziehen, warum der Standort nicht geeignet sei und
warum ein Polizist darüber entscheide. Der Kreis hätte es in
Titisee-Neustadt, Kirchzarten oder Altglashütten auch hinbekommen, dass
es ein gutes Miteinander mit den Nachbarn gebe. "Damit ist der Kelch
nicht an Gundelfingen vorbeigegangen. Ich werde weiter nach Wohnungen
und Grundstücken suchen", sagte sie und bat die Gundelfinger um Hilfe.
In der folgenden Diskussion gab es sowohl Beifall als auch massive
Kritik für Bentler, dem sogar Polemik vorgeworfen wurde. "Ich hätte die
direkt vor der Nase. Meine Wohnung hätte eine Wertminderung von 50.000
Euro", sagte ein Anwohner. "Ich bin sehr enttäuscht, dass alles im
Vorfeld abgeschmettert wurde und wir als offene, wohlsituierte und
sozial eingestellte Gemeinde nicht einmal die Möglichkeit bekommen, so
eine Idee umzusetzen", sagte eine andere Anwohnerin. "Dass heute eine
Entscheidung getroffen wird, war nicht geplant. Es sollte ein
Informationsabend werden – und der ist zusammengebrochen", so Martin
Kasemann von der Freikirche.
Bruno Zimmermann (SPD) sagte, dass der Ältestenrat über ein
Polizeigutachten nicht informiert gewesen sei. "Wir sind alle überrascht
worden." Gemeinderat Thomas Danner (CDU) zeigte sich ebenfalls
überrumpelt. "Uns wurde ein Konzept im nichtöffentlichen Teil einer
Gemeinderatssitzung vorgestellt, aber wir haben noch nicht darüber
diskutiert." Ein Vorschlag aus der Bürgerschaft lautete, die 40
Flüchtlinge auf zwei Standorte zu verteilen, was sowohl Bentler als auch
Münzer als Option sahen. Wobei sich die Sozialdezernentin skeptisch
äußerte, ob in Gundelfingen ein zweiter Standort gefunden werden kann.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Am Montag soll es laut
Bentler ein Treffen der Fraktionssprecher des Gemeinderats geben, bei
dem das weitere Vorgehen festgelegt wird.
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