Erri De Luca - Interview mit La Repubblica 6.6.2014

 De Luca: "Ich werde mich zum Gericht begeben, wenn es möglich sein wird, mit offenen Türen zu diskutieren" Dem Schriftsteller, der gestern nicht vor Gericht erschien, wird in Turin wegen Anstiftung zu Straftaten der Prozess gemacht. Er hatte erklärt, dass er den No Tav Sabotageakten im Susa Tal zustimmen würde

Von Meo Ponte

6.6.2014

 

Erri De Luca, haben Sie gehört, was die staatsanwälte bei der Verhandlung gesagt haben, nämlich dass Ihre Erklärungen bezüglich der Legitimität der Sabotageakte im Susa Tal angesichts Ihres intellektuellen Formats und Ihren Bekanntheitgrads am Ende zu einer Reihe von Anschlägen anstifteten?

 

"Ich habe niemals die Sabotage verherrlicht. Ich habe lediglich gesagt, dass jenes Bauwerk im Susa Tal sabotiert gehört und zwar aus vielfältigen Gründen, die jeder gut kennt...".

 

 

Ist das also Ihre Meinung?



"Es ist vor allen Dingen eine Feststellung, wenn wir präzise sein wollen".

 

Jetzt finden Sie sich wegen dieser Feststellung aber in einem Verfahren wegen Ansiftung unter Anklage wieder. Was sagen Sie zu den Vorwürfen der Staatsanwälte?

"Ich kann meine Gründe nicht in einem Gerichtssaal diskutieren. Das, was in Turin geschieht, betrachte ich als eine missbräuchliche Handlung. Ich bin bereit, überall zu diskutieren und mich mit jedem auseinanderzusetzen, aber nicht in der Rolle eines Angeklagten. Wenn das, was ich gesagt habe, eine Straftat ist, na gut, ich bekräftige es aufs Neue. Ich kann es aber nicht vor einem Gericht erwidern. Ich kann es nicht einmal verhandeln. Meinung ist nicht verhandelbar, sie ist ein nicht verhandelbares Recht".

 

Im Laufe der Verhandlung zitierte die Anklage auch weitere Aussagen von Ihnen, nämlich die, die sie gegenüber eine kalabresische Zeitung gemacht haben, mit denen Sie eine Unterscheidungslinie zwischen dem Terrorismus (den man Ihres Erachtens Bombardierungen wie die Guernicas zuordnen kann) und dem was sie, in Hinblick auf die Roten Brigaden als einen "bewaffneten Kampf" bezeichnen. Wie verteidigen Sie sich hierzu?



"Wie ich vorhin schon sagte, verteidige ich die Tatsache, dass ich nicht die geringste Absicht habe, in einem Gerichtssaal über meine Ansichten zu diskutieren. Weder in Bezug auf den TAV, noch in Bezug auf die Roten Brigaden oder in Bezug auf den bewaffneten Kampf im Italien der 70er Jahre. Ich lebe in einem Land, in dem die Meinungen frei sind und als solche auch geäußert werden können. Wenn das Gericht anderer Auffassung ist, lebt es wohl in einem Land, das nicht das Meine ist".



Vor dem Gerichtsgebäude hat es Demonstrationen der Solidarität mit Ihnen gegeben. Menschengruppen haben sich versammelt und aus Ihren werken gelesen....



"Das ist nicht allein in Turin so geschehen. Man hat mir gesagt, dass ähnliche Demonstrationen auch in anderen Städten stattgefunden haben. Was soll ich dazu sagen? Dass mich das ohne Zweifel freut, und dass es eine Solidarität ist, die ich dankbar annehme und zur Unterstützung des Kampfes der Bewegung im Susa tal an diese weitergebe".



Auf die Gerichtsverhandlung wurde intensiv gewartet. Warum haben Sie es vorgezogen, nicht vor Gericht zu erscheinen?



"Ich bin nicht erschienen, weil mein Anwalt mir erklärt hatte, dass die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde und dass meine Anwesenheit daher nicht angebracht sei. Wahrscheinlich werde auch bei der nächsten Verhandlung nicht erscheinen, weil es sich weiterhin um eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit handelt. Ich werde dann vor Gericht erscheinen, wenn man mit offenen Türen verhandeln wird"

 

http://torino.repubblica.it/cronaca/2014/06/06/news/de_luca_andr_in_trib...