Fan-Gewalt: Brutaler Angriff auf Chemie-Anhänger am Goerdelerring - Schlägerei am Rande von Handball-Spiel

Erstveröffentlicht: 
11.05.2014

Bis in den späten Abend hinein feierte die BSG Chemie am Samstag das 50. Jubiläum der DDR-Meisterschaft 1964. Auf dem Heimweg gerieten 20 Fans in eine wüste Schlägerei. Die Chemiker befanden sich um 0.20 Uhr in einer Straßenbahn der Linie 7 auf dem Weg in Richtung Innenstadt. "Am Goerdelerring hat eine Gruppe von 40 ebenfalls schwarz gekleideten Personen die Bahn gestürmt.", berichtet Polizeisprecherin Maria Braunsdorf.

 

Mit Stöcken, Reizstoffspray und einer Schreckschusspistole fielen die Angreifer laut Polizeibericht über die Fußballfans her und lieferten sich mit ihren Opfern eine wilde Prügelei, die sich teils in den Außenbereich der Haltestelle verlagerte. Nachdem die Polizei am Tatort auftauchte, war die Prügelei schnell beendet. Die Angreifer entkamen offenbar unerkannt. Die Beamten nahmen die Personalien von 15 Personen auf. Drei Chemiker erlitten Verletzungen. Ein Fan musste die Nacht in einer Klinik verbringen.

Augenzeugen aus Chemie-Kreisen wollten unter den Angreifern auch die polizeibekannten Lok-Hooligans Benjamin B. und Thomas K. erkannt haben. Die Betroffenen seien allerdings dermaßen verängstigt vor Rache-Aktionen, dass sie bisher die Aussage bei der Polizei verweigern.

Erst wenige Stunden zuvor lieferten sich nach Polizeiangaben 70 Gewalttäter und 30 Handball-Fans eine Auseinandersetzung während des Heimspiels des SC DHfK gegen Hildesheim. Die Polizei musste schlichten. Nach Abpfiff der Partie flammte die Auseinandersetzung vor der Arena wieder auf.

 

Nach Darstellung der Beamten stehen beide Schlägereien in keinem Zusammenhang. Vielmehr handele es sich um Scharmützel zwischen den Fanlagern der beiden Clubs. Allerdings bemerkten die Polizisten im Umfeld der Arena einige Fußballfans. L-IZ.de liegen Informationen vor, wonach persönliche Kontakte zwischen den Ultras der BSG Chemie und der DHfK-Fangruppe "Rambazamba" bestehen.

Beide Vorfälle reihen sich in eine Serie von Rangeleien ein, die sich seit Oktober 2013 rund um den Leipziger Fußball ereigneten. Offenbar handelt es sich um Rivalitäten zwischen gewaltbereiten Lok-Anhängern und den Ultras der Betriebssportgemeinschaft.

Zuletzt griffen Unbekannte mehrere Anhänger von Lipsia Eutritzsch an. Wenige Stunden zuvor hatte ihr Verein ein Heimspiel gegen die Leutzscher bestritten. Die Lipsia-Supporter führten ein grün-weißes Banner mit sich. Grün und Weiß sind zufällig auch die Farben der BSG Chemie. Eine Verwechslung ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Den Schlägern lässt sich, so sie überhaupt ermittelt werden, selten eine Tatbeteiligung nachweisen. Einerseits agieren die Hooligans und Ultras oftmals vermummt. Andererseits klammern sich die Opfer aus dem Fußball-Milieu häufig an ein selbst auferlegtes Schweige-Gelübde gegenüber den Behörden. Vorladungen der Polizei werden üblicherweise ignoriert. Werden Szenegänger von Staatsanwalt oder Gericht vernommen, weisen die Aussagen meist auffällige Erinnerungslücken auf.

Zudem hat die Leipziger Polizei in den vergangenen Jahren durch überzogen repressive Einsätze im Zusammenhang mit Chemie-Spielen selbst dazu beigetragen, dass das Vertrauen vieler Geschädigter in die Arbeit der Ermittler bei Null liegt.

Vielmehr greifen die Fanszenen zum Mittel der Vergeltung, die gerne einen Zacken schärfer ausfallen darf, um die verloren gegangene Ehre wieder herzustellen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist der nächste Angriff nur eine Frage der Zeit. Offenbar müssen vor allem Fans der Leutzscher momentan überall und zu jeder Tageszeit damit rechnen, von Hooligans attackiert zu werden.

Selbst im chemiefreundlichen Szene-Kiez Connewitz machten die Schläger schon mit Autos Jagd auf Personen, die sie für BSG-Sympathisanten hielten. Die Polizei tut sich auffällig schwer, das Problem in den Griff zu bekommen.

Dabei sind die Hooligans, die hinter den Angriffen zu stecken scheinen, seit Jahren den Behörden bekannt. Eine Spur führt zu früheren Mitgliedern von "Scenario Lok", die vom Verein zu Saisonbeginn mit Hausverboten belegt worden waren. Offensichtlich führt dieser Personenkreis seine gewaltsamen Aktivitäten nun außerhalb des Stadions fort.