„Ausschließlich Hitler“ in Plauen

Rund 600 Neonazis demonstrierten am 1. Mai im sächsischen Plauen
Erstveröffentlicht: 
02.05.2014

Im sächsischen Plauen haben rund 600 Neonazis an einem Aufmarsch des „Nationalen und Sozialen Bündnis 1. Mai“ teilgenommen, darunter Rechtsextremisten aus Finnland, Österreich, Tschechien und Ungarn. Hinter dem Organisatorenbündnis steckt maßgeblich das bayerische Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“.

 

Von Kai Budler

„17 Grad und derzeit kein Regen“ meldeten die Organisatoren des Aufmarschs in Plauen noch am Morgen des 1. Mai per Twitter. Trotzdem warteten kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt um 12.00 Uhr nur knapp 100 Neonazis am Oberen Bahnhof im sächsischen Plauen. Erst mit der Ankunft mehrerer Züge wuchs die Gruppe ständig an und zählte etwa 600 Neonazis, die auf den Start des von Norman Kempken angemeldeten Aufmarschs warteten.

Der gebürtige Hesse und ehemalige Autor der „Nachrichten“ der inzwischen verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HGN) zählt zu den zentralen Kaderfiguren des „Freien Netz’ Süd“ (FNS), das hauptsächlich hinter dem Organisatorenbündnis steckte. Aus diesem Umfeld stammt auch Matthias Fischer, „maßgeblicher Aktivist“ des FNS und ehemaliger bayerischer Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN). In Plauen trat Fischer als Vertreter der neuen rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ auf und dirigierte und koordinierte die wartenden Neonazis am Oberen Bahnhof.
„Marschroute abwärts“

Die überwiegend ein extra für den 1. Mai angefertigtes rotes T-Shirt tragenden Teilnehmer mussten sich aber noch etwa 90 Minuten gedulden, bis Fischer über Mikrophon verkündete „Aufstellung nehmen“ und angab: „Marschroute abwärts“. Dank seiner langjährigen guten Kontakte nach Ungarn wunderte es nicht, dass sich auch Aktivisten mit rot-weiß-grüner Fahne einreihten, weitere Demonstranten stammten aus Finnland, Österreich und Tschechien. An die von den Neonazis „roter Block“ genannte Spitze schloss sich ein im „Autonomen“-Look gehaltener Block hinter einem Transparent Thüringer Neonazis an, in dem auch NPD-Kandidaten für die Kommunalwahl in Thüringen marschieren.

Am 1. Mai vergangenen Jahres in Erfurt  hatte sich auf einem Transparent unter dem Spruch „Arbeit Recht Freiheit“ nur ein schwarzes Zahnrad befunden, das an die nationalsozialistische „Deutsche Arbeitsfront“ erinnerte. Nun erhärtet der Schriftzug „WWT Thüringen“ den Verdacht, dass auch im Freistaat eine Sektion der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ existiert. Erst im Juli vergangenen Jahres waren in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden mehrere Wohnungen, Haftzellen und Geschäftsräume durchsucht worden, weil Neonazis aus dem Umfeld der „WWT“ die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (Paragraph 129 a) vorgeworfen wurde. Seitdem sind einige dieser Aktivisten immer wieder mit Michael Fischer, einer der Führungspersonen der Neonazi-Szene aus Thüringen, zu sehen. Auch bei einer Gewaltattacke im Hamburger Hauptbahnhof im Februar  dieses Jahres war Fischer neben Sebastian R., einer zentralen Figur der WWT, anwesend. Dabei kam es unter anderem zu „Sieg Heil“-Rufen sowie Schlägen und Tritten gegen Polizeibeamte.

 

Symbolik von „Deutscher Arbeitsfront“ und „Hitlerjugend“

In Plauen scheinen am 1. Mai die Unterschiede und Differenzen innerhalb der Strukturen der „freien“ Neonazi-Szene vergessen, um den traditionellen Arbeiterkampftag mit rechtsextremen Inhalten zu besetzen und die Kleinstpartei „Der III. Weg“ (DIIIW) zu stärken, die als Veranstalterin auftrat. Sie war im September 2013 in Heidelberg gegründet worden, propagiert einen „sozialistischen nationalrevolutionären“ Kurs und wird zu den neuen Organisationsformen des FNS gerechnet. Seit dem Frühjahr 2014 existiert auch ein „Stützpunkt“ in München, bei dessen Gründung der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese als Redner auftrat. Gemeinsam ist Partei und FNS in der Symbolik das verwendete Zahnrad aus der Tradition der „Deutschen Arbeitsfront“ sowie Hammer und Schwert, die 1929 auf dem Gaufeldzeichen der Hitlerjugend (HJ) abgebildet waren. Die Kombination von Werkzeug und Waffe sollte die „Volksgemeinschaft“ aus Arbeitern und Soldaten symbolisieren und wurde unter anderem vom „nationalrevolutionären“ Flügel der NSDAP genutzt.

In der „Metropole des Vogtlandes“ traten durchwegs Vertreter des DIIIW, so der Parteivorsitzende Klaus Armstroff, Matthias Fischer und Tony Gentsch aus Franken sowie ein Mitglied aus Plauen als Redner auf. Ergänzt wurde die Liste durch Michael Fischer und Paavo Laitinen von der „Finnischen Widerstandsbewegung“. Doch schon bei der ersten Kundgebung gingen die Ansprachen wortwörtlich baden. Heftiger Donner, Blitze und Hagel beziehungsweise Starkregen übertönten den Redner, Pfiffe und Rufe der Gegendemonstranten sowie Glockengeläut einer nahe gelegenen Kirche taten das Übrige. Nur wenig später mussten die völlig durchnässten Neonazis erneut anhalten, weil etwa 200 Personen die Route blockierten.


„Im Kampf für Deutschland. Wo wir sind ist vorn“

Die Neonazis standen insgesamt etwa 2000 Gegendemonstranten verschiedener Bündnisse gegen Rechts gegenüber, ihre Aufmarschroute war kurz zuvor verlegt worden, sodass sie nicht durch den Stadtkern führte. Es war die erste Demonstration, die die Organisatoren aus dem Umfeld des FNS am 1. Mai in Sachsen durchführten. Nach dem bislang größten Aufmarsch in Schweinfurt mit etwa 1000 Teilnehmern im Jahr 2010 konnten die Organisatoren zuletzt nur noch 350 bis 500 Neonazis für Hof und Würzburg mobilisieren. Die Polizei hatte im Vorfeld 350 Teilnehmer erwartet, sie war mit etwa 800 Beamten im Einsatz, davon stammten 100 aus Bayern. Nachdem der Neonazi-Aufzug in Plauen umgeleitet wurde, folgen noch zwei weitere Kundgebungen, bis der Spuk rund drei Stunden nach Beginn mit der Ankündigung beendet wurde, die Aktion in der kommenden Zeit weiter auszubauen.

Trotz des Versuchs, den 1. Mai rechtsextremer Kapitalismuskritik zu besetzen, zeigten viele dieser Trittbrettfahrer der sozialen Frage auf T-Shirts, Transparenten und Tätowierungen ihr wahres Gesicht. Journalisten wurden angepöbelt und beleidigt und neben dem rassistischen Aufmarschmotto „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ waren verklausulierte Aufrufe zur Selbstjustiz, Aufschriften wie „Ausschließlich Hitler“ und Tätowierungen von Wehrmachtssoldaten und einem SS-Mann zu sehen. Nur das vermeintlich kämpferische Motto auf dem Pullover eines Teilnehmers „Im Kampf für Deutschland. Wo wir sind ist vorn“ wollte nicht seine gewünschte Wirkung entfalten: Der Neonazi im schwarzen Kapuzenpullover war das Schlusslicht der Demonstration.