Rechtsextremismus in Thüringen
Mit dem Kauf von Häusern in Crawinkel und Ballstädt haben sich militante und gewaltbereite Neonazis in Thüringen immer mehr vernetzt. Trotz des Drucks von Polizei und Staatsanwaltschaften sind die Kameradschaften weiter aktiv.
Von Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia
Die Fahnder schlugen in den frühen Morgenstunden des 29. August 2013 zu. Schwer bewaffnete Spezialeinheiten stürmten die beiden Neonazi-Häuser in Ballstädt und Crawinkel im Landkreis Gotha. Die Polizei war auf der Suche nach Waffen und Propagandamaterial. Es war eine groß angelegte Operation der Ermittler, die ihren Ursprung in Österreich hatte. Dort lief seit 2012 eine streng geheime Ermittlung gegen die Neonazi-Kameradschaft "Objekt 21". Geheimdienstexperten zählen sie zu einer gewaltbereitesten Organisation im europäischen Rechtsextremismus, sprechen sogar von einer "Neonazi-Mafia". Bei den Razzien in Österreich, Bayern und Thüringen wurden Waffen und Munition entdeckt.
Die beiden Thüringer Neonazis Steffen M. und Andreas P. wurden festgenommen und den österreichischen Behörden übergeben. M. ist einer der Bewohner eines Hauses in Crawinkel. Er und weitere "Kameraden" waren Ende 2011 dort eingezogen und firmierten seitdem im Ort unter dem harmlosen Namen "Hausgemeinschaft Jonastal". Die Initialen "HJ", wie "Hitler Jugend", sind sicher kein Zufall. Unklar war lange Zeit, ob sie - wie kolportiert wurde - auch die Besitzer des Hauses waren.
Nur ein Jahr später gelang es der selben rechtsextremen Gruppe, in der Nähe ein Objekt zu kaufen. Im 30 Kilometer entfernten Ballstädt erwarben sie die alte Bäckerei. Seitdem wohnen und agieren die Mitglieder der Kameradschaft in beiden Häusern. In Crawinkel finden regelmäßig Rechtsrockkonzerte statt. Besonders die berüchtigte Band "Sonderkommando Dirlewanger" kurz "SKD" genannt, ist in dem kleinen Dorf im Landkreis Gotha immer wieder aufgetreten. Bandleader Thomas W. soll mittlerweile in Ballstädt wohnen - wie auch der ehemalige NPD-Spitzenkandidat aus Saalfeld-Rudolstadt, Steffen R. Der soll maßgeblich die Solidaritätsaktionen für den als NSU-Unterstützer inhaftierten Ralf Wohlleben organisiert haben. Ermittler sind sogar dem Verdacht nachgegangen, dass R. im August 2012 Kassiber in die JVA Tonna schmuggeln ließ und somit die Kommunikation zwischen Wohlleben und der rechtsextremen Szene aufrechterhalten werden sollte. Kurz darauf wurde Wohlleben nach München verlegt.
Käufer beantragten ein Familiendarlehen
Die im Thüringer LKA neugegründete Spezialeinheit "Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung Rechts" (ZESAR) hat die beiden Häuser und ihre Bewohner seit einem Jahr im Blick. Hintergrund sind auch Verbindungen der Band SKD zur der österreichischen Neonazi-Kameradschaft "Objekt 21". Auf einem von der Band gemieteten Bauernhof in Oberösterreich sollen in der Vergangenheit mehrfach auch SKD-Musiker aufgetreten sein. Zudem unterhielt "Objekt 21", deren drei Dutzend Mitglieder sich in Österreich wegen einer Reihe schwerster Straftaten vor Gericht verantworten müssen, enge Beziehungen auch zur rechten Szene im gesamten Raum Gotha.
Pikant: Der Plan zum Kauf des Hauses in Crawinkel wäre um ein Haar sogar von der Thüringer Aufbaubank (TAB) gefördert worden. Die rechtsextremistischen Käufer hatten es geschafft, bei der TAB ein Familiendarlehen zu beantragen. Angeblich soll das Geld aber nicht geflossen sein, teilte die Landesregierung in einer Sitzung des Innenausschuss am 17. Februar 2012 mit. Der Kaufpreis von 110.000 Euro für die Immobilie in Crawinkel soll nach MDR-Information nie bezahlt worden sein. Seit einigen Wochen steht das Haus leer.
Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN hat das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) mehrfach Ermittlungsansätze verfolgt, um die "Hausgemeinschaft Jonastal" als kriminelle Vereinigung zu verfolgen. Doch trotz verschiedener Razzien in Crawinkel und Ballstädt bisher ohne Erfolg. Nun könnten die Ermittlungen nach dem Überfall auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt einen neuen Ansatz bringen. Doch die Polizei müsste beweisen, dass es die örtlichen Neonazis waren. Und, dass sie die Schlägerattacke auch geplant hatten. Vor allem die schnelle Mobilisierung von mehr als einem Dutzend Schlägern gibt den Fahndern Rätsel auf. Zurzeit haben die Ermittler vier mutmaßliche Schläger identifiziert: darunter auch Thomas W. und eine junge Frau.
Der Druck auf das LKA in dem Fall steigt, denn Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatte bereits erklärt: Rechtsextremisten haben den Überfall begangen.