Südthüringen: Veranstaltungsreihe zur Kritik des Postnazismus

"Der Nationalsozialismus lebt nach, und bis heute wissen wir nicht, ob bloß als Gespenst dessen, was so monströs war, daß es am eigenen Tode noch nicht starb; oder ob es gar nicht erst zum Tode kam; ob die Bereitschaft zum Unsäglichen fortwest in den Menschen wie in den Verhältnissen, die sie umklammern." (Theodor W. Adorno, 1959)

 

Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Sie ist durch die gemeinsame Anstrengung der Anti-Hitler-Koalition erzwungen worden. Die alliierten Streitkräfte beendeten damit endgültig den deutschen Vernichtungskrieg und die fast vollständige Ausrottung des europäischen Judentums. Doch die viel beschworene "Stunde Null" fand nicht statt. Weder von einer restlosen Abrechnung mit dem Vergangenen, noch von einem Neuanfang konnte die Rede sein. Die Befreiung blieb, wie der Ideologiekritiker Eike Geisel bemerkte, "eine halbe". Der deutsche Faschismus wurde militärisch bezwungen, aber nie gänzlich besiegt. Zum einen ist es misslungen, eine "neue Welt des Friedens und der Freiheit" (aus dem Schwur von Buchenwald) zu errichten, eine Gesellschaft, in der Auschwitz unmöglich werden sollte. Zum anderen fand die nachhaltige, an die Wurzel gehende Delegitimierung bzw. Aufarbeitung nazistischer Ideologie ebenso wenig statt wie die Abrechnung mit den deutschen Tätern. Während letztere im postnazistischen Deutschland in aller Regel problemlos Karriere machen konnten, musste ihre Ideologie sich transformieren und lebt heute in neuen Strukturen und Organisationen fort, schlägt sich im gesellschaftlichen Prozess an allen Stellen nieder und erfreut sich in Krisenzeiten steigender Popularität.


Die Vortragsreihe thematisiert dieses Fortleben des Nationalsozialismus und zwar in struktureller wie in personeller Hinsicht, d.h. sie untersucht die Transformation faschistischer Ideologie ebenso wie die personellen und organisatorischen Kontinuitäten im postnazistischen Deutschland.

 

VERANSTALTUNGEN

ILMENAU, 06.05.2014, 19 Uhr - TU Ilmenau, HU 201
Zur Kritik des Postnazismus
Auftaktvortrag & Diskussion über das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie

Vor 69 Jahren endete der nationalsozialistische Terror über Europa durch die militärische Zerschlagung Nazideutschlands. Die "Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln" (aus dem Schwur von Buchenwald) steht noch aus. Das beweisen nicht bloß die Zustimmungswerte für die NPD oder die empirischen Erhebungen etwa des Thüringen-Monitors, sondern das Fortleben nazistischer Deutungsmuster in der Gesellschaft sowie die Popularität faschistischer Krisenlösungsstrategien. Der Vortrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau gibt einen Überblick über das, auf was die Rede vom Postnazismus als Begriff der Kritik hinauswill und thematisiert das strukturelle Fortwirken und die Aktualität nazistischer Ideologie im demokratischen Deutschland.

ARNSTADT, 08.05.2014, ab 19 Uhr - P20 (Plauesche Str. 20)
Befreiungsparty

Am 7. Mai vor 69 Jahren unterschrieb der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, Alfred Jodl, autorisiert durch Hitlers testamentarischen Nachfolger Karl Dönitz, die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Am 8. Mai trat diese Kapitulationserklärung an allen Fronten in Kraft. Der Sieg der Alliierten über Nazideutschland und dessen faschistische Herrschaft in Europa ist ein Grund zum Feiern!

ARNSTADT, 13.05.2014, 19 Uhr - P20 (Plauesche Str. 20)
Rechtspopulismus mit Erfolg?
Vortrag & Diskussion über die "Alternative für Deutschland" nach der Bundestagswahl 2013

In Arnstadt erzielte die "Alternative für Deutschland" (AfD) mit 11 Prozent ihr bestes Wahlergebnis in den größeren Städten Thüringens (Thüringenweit: 6,2 Prozent). Das Klima für Rechtspopulismus in Arnstadt ist hervorragend. Martina Renner (Bundestagsabgeordnete der Partei "Die Linke") geht der Frage nach, warum das so ist. Sie liefert zudem einen Überblick über rechtspopulistische und nazistische Parteien in Europa, ordnet die AfD in dieses Feld ein, spricht über deren Positionen wie Nützlichkeitsrassismus und Elitendemokratie und wirft einen Blick auf das bundesweite und regionale Personal der Partei.

ILMENAU, 15.05.2014 - TU Ilmenau, HU 201
Moderner Antisemitismus
Vortrag & Diskussion zur Transformation des Antisemitismus im Postnazismus

Deutschland geriet 1945 in eine vorläufige Krise. Sein Dreh- und Angelpunkt, der Antisemitismus, war in seiner offenen Form vorerst politisch geächtet, ohne zu verschwinden. Entsprechend durchlief der deutsche Nationalismus einen Formwandel, der mit dem Formwandel des Antisemitismus nach 1945 korrespondiert. Die Formen des sekundären, also auf Auschwitz folgenden, Antisemitismus sollen im Vortrag des Club Communism (CC) dargestellt und diskutiert werden. Der Schwerpunkt der Darstellung von Revisionismus, Schuldumkehr bis zum antizionistischen Antisemitismus liegen dabei auf der Frage, welcher Zusammenhang zwischen diesen Formen des Antisemitismus und des deutschen Nationalismus nach 1945 besteht.

ARNSTADT, 20.05.2014, 19 Uhr - P20 (Plauesche Str. 20)
Das Nachleben des Nationalsozialismus I
Vortrag & Diskussion über nationalistische und revisionistische Bestrebungen der Vertriebenenverbände

Eine Kontinuität zum Nationalsozialismus lässt sich innerhalb des Bundes der Vertriebenen (BdV), dem Dachverband der deutschen Vertriebenenverbände, nicht nur auf personeller Ebene konstatieren (so wurde das erste Präsidium des BdV von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP, SA und SS geführt), sondern auch ideologisch. Dieses Nachleben des Nationalsozialismus, welches sich unter anderem in nationalistischen und revisionistischen Bestrebungen artikuliert, soll anhand der Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Interessen der Vertriebenenverbände im Vortrag nachgezeichnet werden.

SUHL, 22.05.2014, 19 Uhr - Grünes Haus, Gothaer Str. 105
Das Nachleben des Nationalsozialismus II
Vortrag & Diskussion über die Integration alter Eliten & Flucht von NS-Verbrechern

Mit der Niederschlagung Deutschlands 1945 durch die Alliierten endete zwar die nationalsozialistische Herrschaft in Europa, jedoch gelang es vielen Nazis ihrer Bestrafung zu entgehen. Über verschiedene Fluchtwege in Europa und Untergrundnetzwerke gelangten SS-Offiziere, KZ-Aufseher und andere Nazis unter falschen Namen ins sichere Ausland. Der Vortrag soll beleuchten, wie es geschafft werden konnte tausenden Kriegsverbrechern zur Flucht zu verhelfen, welche Akteure dabei eine Rolle spielten und wie Nazis auch nach Kriegsende eine wichtige Rolle für das Nachleben des Nationalsozialismus spielten.

ARNSTADT, 24.05.2014, 12 Uhr (Start: Hauptbahnhof)
Antifaschistischer Stadtrundgang zur Kritik des (Post-)Nazismus
Stationen zum historischen und aktuellen Angriff auf die Menschheit

Auf einem ca. zweistündigen Stadtrundgang möchten wir euch mitnehmen durch die Geschichte (post-)nazistischer Angriffe in Arnstadt. Wir wollen an die vergangenen Verbrechen erinnern sowie gegen das Vergessen und die aktuellen Versuche der Relativierung des Vergangenen antreten. Der Stadtrundgang beinhaltet also eine Mischung aus geschichtlicher Aufklärung und aktueller Kritik an Orten, an denen sich postnazistische Ideologie im Stadtbild niederschlägt bzw. von wo aus sie Verbreitung und Legitimation findet.

 

Hinweise, Material und Kontakt unter: http://www.postnazismus.tk/