Am Mittwoch, den 30. April beginnt vor der Großen Strafkammer des Kemptener Landgerichts der Prozess gegen den Neonazi Falk H., der am letztjährigen Tänzelfest in Kaufbeuren einen »Mann aus Kasachstan« erschlug. Nicht zuletzt, da die Staatsanwaltschaft ein rassistisches Motiv nicht erkennen will, wird das »Antirassistische Jugendaktionsbüro« den Prozess kritisch begleiten und auf die Hintergründe der Tat aufmerksam machen.
»Obwohl der neonazistische Hintergrund des Täters und der vorhergehende von rassistischen Beschimpfungen begleitete Angriff bekannt sind, reduziert die Allgäuer Zeitung das Geschehen auf eine ›Schlägerei‹, der der 34-jährige zum Opfer gefallen sein soll. Auch die Kaufbeurer Gesellschaft und ihre Regierung positionieren sich unspezifisch ›gegen Gewalt‹ und wollen von Rassismus nichts wissen.« Und das obwohl die Aktivisten mit unterschiedlichen Veranstaltungen auf den Vorfall aufmerksam machten, sagt ein Sprecher vom »Antirassistischen Jugendaktionsbüro«.
Nach Recherchen der antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München ging der Attacke, der der namenlos gehaltene Familienvater zum Opfer viel ein Angriff auf drei Spätaussiedler voraus. Die siebenköpfige Gruppe um den 36-jährigen Falk H. und mindestens einen weiteren Neonazi provozierten zunächst mit rassistischen Beschimpfungen und griffen dann an. Die Angegriffenen sollen sich jedoch erfolgreich zur Wehr gesetzt haben. Das spätere Opfer sei nun erst aus »bloßem Interesse« Security-Kräften gefolgt, die sich zum Ort der Auseinandersetzung begaben. Die Rassisten provozierten erneut, der 36-jährige wird wieder gewalttätig und streckt den 34-jährigen mit nur einem Schlag nieder. Das Opfer erliegt den Verletzungen am Folgetag. Zu einer Stellungnahme, warum angesichts dieser Vorgänge laut eigenem Bekunden »ein rassistisches Motiv [...] nicht beweiskräftig festgestellt werden« konnte, war die Staatsanwaltschaft nicht bereit.
Die Aktivistinnen und Aktivisten »wollen nicht tatenlos zusehen, wenn Behörden und Bevölkerung wieder in die Deutungs- und Verhaltensmuster zurückfallen, die mit der Aufarbeitung der NSU-Morde erkannt und erledigt werden sollten.« So seien die Ausblendung rassistischer Motive sowie eigene rassistische Anteile mitverantwortlich dafür, dass der NSU bis zu seiner Selbstaufdeckung jahrelang morden konnte. Nun werden 746 Tötungen und Tötungsversuche, darunter auch der Fall Peter Siebert aus Memmingen erneut auf rechte Tatmotive geprüft. Die Nazigegner_innen, die letzten Samstag in Memmingen in Gedenken an Siebert und alle anderen Opfer rechter Gewalt und gegen Nazis demonstrierten, wollen »verhindern, dass auch der Fall um Falk H. entpolitisiert und abgehakt wird, um dann in einigen Jahren ebenfalls erneut geprüft werden zu müssen.«
Die jungen Aktivist_innen treffen sich um 8 Uhr, eine Stunde vor Beginn des ersten Prozesstages im selbstverwalteten Jugendzentrum react!OR in der Frühling Str. 17, um dann die Verhandlung kritisch zu begleiten und zu dokumentieren. Auch zu den weiteren bisher angesetzten Terminen am 6., 8. und 13. Mai wollen die kritischen Prozessbeobachter_innen anwesend sein