Gewalttat von Bernburg: Angeklagte schweigen zu Attacke auf Imbissbetreiber

Erstveröffentlicht: 
18.02.2014

Die Tat schockte ganz Bernburg: Am Bahnhof der Saalestadt prügelten im September 2013 neun Männer den türkischstämmigen Betreiber des dortigen Imbisses krankenhausreif. Dem Mann wurde unter anderem die Schädeldecke gebrochen. Nun müssen sich die mutmaßlichen Schläger vor dem Magdeburger Landgericht verantworten. Ihnen wird versuchter Totschlag, Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Opfervertretern geht das nicht weit genug. Für sie war es versuchter Mord. Bis März sind mehrere Verhandlungstage angesetzt.

 

Wegen des Überfalls auf einen türkischstämmigen Imbissbetreiber in Bernburg müssen sich ab sofort neun Männer vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Zum Prozessauftakt ließen die 24 bis 33 Jahre alten Angeklagten am Dienstag über ihre Verteidiger mitteilen, sich momentan weder zu den Vorwürfen noch zur Person äußern zu wollen.

 

Versuchter Totschlag, Körperverletzung, Beleidigung

 

Die Anklage wirft den Männern versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vor. Sie sollen im September vergangenen Jahres am Bernburger Bahnhof den 34-jährigen Betreiber des dortigen Lokales zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat einer der mutmaßlichen Rechtsextremen am Tatabend zunächst die Freundin des Imbissbetreibers beleidigt. Als dieser sie verteidigen wollte, sei es zu einer Schlägerei gekommen, in die sich bald auch die anderen eingemischt hätten. Mehrere Minuten soll die Auseinandersetzung gedauert haben. Mindestens vier Männer sollen dabei auch gegen den Kopf des Opfers getreten haben - auch dann noch, als dieser schon längst bewusstlos am Boden lag. "Alle haben den Tod des Opfers zumindest für möglich gehalten", sagte Anklagevertreterin Ute Vieweg.

 

Schädeldach des Opfers gebrochen

 

Nach Angaben der Staatsanwältin wurde dem Imbissbetreiber bei dem Überfall unter anderem das Schädeldach gebrochen. Er erlitt bleibende Schäden. Das Opfer und seine Partnerin treten als Nebenkläger in dem Verfahren auf. Nachdem sie die Anklage gehört und ihren mutmaßlichen Peinigern ins Gesicht geblickt hatten, verließen sie den Saal. Der 34-Jährige wolle erst am 10. März als Zeuge wiederkommen, sagte sein Anwalt. Bis Ende März sind mehrere Verhandlungstage angesetzt. Mit der Vernehmung der ersten Zeugen soll Anfang März begonnen werden.

 

Bekennender Neonazi auf der Anklagebank

 

Zu den neun Angeklagten gehört auch Francesco L. Der bekennende Neonazi aus Schönebeck war 2006 als Haupttäter wegen der schweren Misshandlung eines zwölfjährigen dunkelhäutigen Jungen in Pömmelte verurteilt worden. Zusammen mit drei anderen mutmaßlichen Rechtsextremen hatte er das Opfer aus ausländerfeindlichen Motiven auf sadistische Weise gequält und schwer verletzt. L. war dafür zu einer dreieinhalbjährigen Jugendhaftstrafe verurteilt worden. Laut Opferberatung wurde gegen ihn drei Wochen vor dem Angriff in Bernburg eine weitere Freiheitsstrafe wegen einer Gewalttat 2012 rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft habe es aber versäumt, Haftbefehl gegen L. zu beantragen.

 

Versuchter Totschlag oder versuchter Mord?

 

Wie das Gericht im Vorfeld des Prozesses mitgeteilt hatte, könnte statt einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in Betracht kommen, falls sich im Laufe der Verhandlung Ausländerhass als leitendes Motiv beweisen lasse. Die Staatsanwaltschaft hatte dafür bisher keine ausreichenden Beweise gesehen. Die Nebenklagevertretung und die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt hatten der Anklagebehörde deshalb vorgeworfen, die rassistische Dimension der Tat zu verharmlosen. Außerdem kritisierten sie, dass der Fall nicht an den Generalbundesanwalt in Karlsruhe abgegeben wurde. Laut Magdeburger Landgericht wurde dieser zwar von der Staatsanwaltschaft informiert, habe das Verfahren aber nicht an sich gezogen.