Haftstrafen für Überfall auf syrische Familie

Erstveröffentlicht: 
17.02.2014

Knapp zwei Jahre nach dem brutalen Überfall auf eine syrische Familie auf der "Eisleber Wiese" hat das Landgericht Halle zwei 34 und 25 Jahre alte Männer wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier beziehungsweise drei Jahren Gefängnis verurteilt. Einen dritten heute 20 Jahre alten Angeklagten verurteilte die Kammer zu einer zweijährigen Jugendstrafe, die vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

 

Angriff mit Schlagring und Schlagstock

 

Die Männer hatten im April 2012 mehrere Mitglieder einer aus Syrien stammenden Familie auf dem Volksfest "Eisleber Frühlingswiese" angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Dabei haben sie nach Überzeugung des Gerichts auch ausländerfeindliche Parolen gerufen. Eines der Opfer wurde dabei so schwer verletzt, dass es nur dank einer Notoperation überlebte. Der Mann erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und lag tagelang im Koma. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte der damals 18-jährige Hauptangeklagte die Schlägerei ohne ersichtlichen Grund angefangen. Demnach sei er stark betrunken auf die Familie losgestürmt, habe einem der Opfer mehrfach mit einem Schlagring auf den Kopf eingeschlagen und dabei ausländerfeindliche Parolen gerufen. Die beiden damals 24 und 31 Jahre Mitangeklagten sollen die übrigen Syrer mit einem Schlagstock in Schach gehalten, geschlagen und eine Frau bewusstlos getreten haben. Ein Opferanwältin spricht von einer der brutalsten rassistischen Angriffe der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt.

 

Kritik an Polizei und Justiz


Der Fall hatte nicht nur wegen der besonderen Brutalität deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Auch die Arbeit von Polizei und Jusitz warfen nach Ansicht von Beobachtern ein negatives Schlaglicht. So hatte die Polizei die Verdächtigen nicht sofort nach der Tat festgenommen, sondern gewartet, bis diese sich selbst stellten. Die Opferanwälte kritisierten während des Prozesses, dass die Polizei den Angriff als Schlägerei auf einem Volksfest gewertet habe. Die Verletzungen der Opfer seien nicht rechtsmedizinisch begutachtet geworden. Zeugen seien erst sechs Wochen später verhört worden. Auch die juristische Behandlung des Falls wirft Fragen auf. Die Anklage gegen die Tatverdächtigen wurde erst Ende 2012 eingereicht. Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" hatte die Staatsanwaltschaft Halle den Tatvorwurf von "versuchtem Totschlag" auf "gefährliche Körperverletzung" herabgestuft. Die Staatsanwaltschaft bestätigte dann auch, dass keiner der Angreifer nach der Tat in Haft kam, obwohl ein mehrfach vorbestrafter Mann darunter war. Zunächst sollte der Fall auch nicht vom Landgericht Halle entschieden werden, sondern vom Amtsgericht Eisleben, das leichtere Fälle behandelt. Die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Halle warf der Staatsanwaltschaft eine Verharmlosung der Tat vor.

 

Gericht bleibt unter Forderung der Anklage

 

Mit dem jetzigen Urteil blieb das Gericht zum Teil unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für den 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht drei Jahre und sechs Monate Haft und für seine beiden 34 und 25 Jahre alten Mitangeklagten drei Jahre und neun Monate beziehungsweise zwei Jahre und zehn Monate Haft nach Erwachsenenstrafrecht gefordert. Die Verteidigung hatte für den 20-Jährigen Hauptangeklagten auf eine Bewährungsstrafe plädiert. Zwar räumte der Anwalt des Mannes in seinem Plädoyer ein, sein Mandant habe die Schlägerei begonnen, ein politisches oder rassistisches Motiv wies er jedoch zurück. Die beiden mitangeklagten Männer hätten gedacht, aus Notwehr zu handeln, weil sie angenommen hätten, ihr Freund sei zuerst angegriffen worden, so die Verteidigung. Während des gesamten Prozesses hatten sich die drei Angeklagten nach Berichten von Prozessbeobachtern überwiegend ohne Reue und desinteressiert gezeigt.

 

Die betroffene syrische Familie, die schon seit längerem die deutsche Staatsbürgerschaft besaß und mittlerweile seit 16 Jahren im Land lebt, hatte Eisleben nach der Tat verlassen. Nach Angaben der Opferberatungsstelle leiden die Opfer bis heute zum Teil unter den psychischen und körperlichen Folgen der Tat.