LÜBECK taz | Die Werbung läuft schon, auch Geld wird bereits gesammelt. Im hohen Norden haben Kader der NPD einen neuen Verein für ihren politischen Kampf gegründet: die „Braune Hilfe Schleswig-Holstein in Gründung“. Der neue Verein will nach Überlegungen des NPD-Landespressesprechers Jörn Lemke „politisch verfolgte Kameraden“ unterstützen – juristisch und materiell. Das erfuhr die taz aus einer zuverlässigen Quelle.
In den vergangenen Jahren hat der NPD-Kader aus Lübeck seine Anfeindungen gegen Flüchtlinge und Andersdenkende immer wieder als heroischen Opfergang für Volk und Vaterland stilisiert. Gesellschaftliche Reaktionen darauf versuchte er zur politischen Selbstidealisierung zu nutzen. Für den „Kampf um die Straße und die Köpfe“ bekam die Szene von NPD bis „Autonome Nationalisten“ im Norden auch viel Gegenwind: Antifaschisten outeten Kader, staatliche Ermittlungen führten zu Verurteilungen von Aktivisten, Medienberichte behinderten die Karrieren von Parteimitgliedern. Nun wird die Idee einer „Braunen Hilfe“ intern als praktisch-heroische Idee verhandelt.
Bereits Mitte vergangenen Jahres hatte Jörn Gronemann, aktiv bei der NPD Lübeck-Ostholstein, aus eigener Betroffenheit heraus einen „Solifonds für Opfer linkspolitischer Gewalt“ gegründet. Mit Erfolg: Verschiedene Onlineshops der Szene halfen, und bei einem Soliabend im Szenetreff „Thinghaus“ in Grevesmühlen kam ein vierstelliger Betrag zusammen.
Das „Soligeld“ wurde aber nicht nur für Solidaritätsprojekte genutzt. Eine Enttäuschung, die NPD-Landespressesprecher Lemke auf die Idee der Vereinsgründung gebracht hat.
„Beide Seiten der Medaille“Der Name „Braune Hilfe“ offenbart das organisatorische Vorbild: die „Rote Hilfe“, deren Vorläufer bis in die Weimarer Republik zurückgeht. „In der rechtsextremen Szene wird öfters auf linke Projekte und Aktionsformen neidisch geschaut“, sagt Jan Raabe, Autor und Mitarbeiter des Vereins „Argumente & Kultur gegen Rechts“. Seit dem Verbot des Vereins „Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener und deren Angehörige“ (HNG) im Jahr 2011 sucht die Szene nach neuen Unterstützungsformen für die „Märtyrer der nationalen Sache“, wie die HNG Holocaust-Leugner und Rechtsterroristen nannte.
Bei der „Brauen Hilfe“ waren sich die Gründer, zu denen auch der NPD-Landesvize Jens Lütke und Partei-Aktivist Simon Stanek gehören, nicht ganz einig, ob Geld zur Unterstützung angeboten werden soll. Das Gründungsmitglied Daniel Nordhorn, Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Neumünster-Segeberg, lehnt diese Idee ab. Doch Lemke intervenierte mit Hinweis auf die „Rote Hilfe“, diese würde auch „beide Seiten der Medaille“, also politische und finanzielle Unterstützung, nicht trennen. In der Debatte kommen die Gründer auch schnell auf eine mögliche zusätzliche Geldquelle: „Spenden von älteren Kameraden“.
Noch nicht im Vereinsregister
Das Konto des Vereins ist bisher kein offizielles Vereinskonto. Stanek, der sich auch als Hip-Hopper mit dem Künstlernamen Tekk07“versucht, führt ein privates Konto für die „Hilfe“. Für Lemke, der auch NPD-Kreisvorsitzender in Lübeck/Ostholstein ist, ist das kein Problem. Er verweist darauf, dass auch die HNG „jahrelang ohne Vereinskonto“ klar gekommen sei.
Bisher ist der Verein noch nicht im Vereinsregister eingetragen. „’Braune Hilfe Schleswig-Holstein‘? Nein, so ein Verein ist hier nicht registriert“, sagt eine Mitarbeiterin beim Vereinsregister in Lübeck. NPD-Landespressesprecher Lemke weiß aber auch, dass schon ein Verein in Gründung aktiv werden kann. Sein Vorschlag: „Wir fangen schon jetzt an, intern Geld zu sammeln und intern das Projekt bekannt zu machen.“
NPD-Mann Nordhorn hatte schon 2009 versucht, in Kiel eine „Braune Hilfe“ ins Vereinsregister eintragen zu lassen. „Vereine dienen der rechtsextremen Szene seit Jahrzehnten als Hintergrundstrukturen“, sagt Rechtsextremismus-Forscher Raabe. „Auch um Geld zu akquirieren.“ Nach der offiziellen Vereinsgründung wird dann nicht selten die Gemeinnützigkeit angestrebt.