Rund 100 Anhängerinnen und Anhänger der konservativen katholischen Piusbruderschaft haben vor der Pro Familia Beratungsstelle in der Humboldtstraße einen Kreuzweg "Zum Schutz de Lebens" gebetet; rund 150 Gegendemonstranten störten die Kundgebung lautstark. Ein starkes Polizeiaufgebot war bemüht, Demonstranten und Gegendemonstranten auseinander zu halten.
"Herr Jesus Christus, wir sind gekommen, um betend und betrachtend
Deinen Kreuzweg nachzugehen, den Du vom Hause des Pilatus bis rauf nach
Golgatha gegangen bist. In dieser Stunde gedenken wir besonders der
Kinder, die unschuldig im Schoße ihrer Mütter sterben müssen."
Mit
diesen Worten beginnt der "Gebets- und Demonstrationszug zum Schutze
des Lebens", der rund 100 Anhängerinnen und Anhänger der Piusbruderschaft am
Freitagnachmittag in der Freiburger Humboldtstraße. Den Text versteht
jedoch nur, wer eins der weißen Hefte der Demonstranten in den Händen
hält. Denn rund 150 Gegendemonstranten sind dem Aufruf der Initative
"Pius entgegentreten" gefolgt, und gekommen, um das Gebet der
selbstdefinierten Lebensschützer zu stören.
Ihre Pfiffe, ihre
Buh-Rufe, Megaphone und Schlachtrufe übertönen das
lautsprecherverstärkte Gebet. Die Piusbrüder-Anhänger - überraschend
viele von ihnen sind im Teenageralter und weiblich, viele alt und
gebrechlich, die lautesten jung und männlich - halten Plakate, während
sie immer wieder auf dem Asphalt in die Knie gehen. "2/3 aller Frauen
werden zur Abtreibung gedrängt" steht darauf, "2/3 aller Beziehungen
gehen nach einer Abtreibung zu Ende" und "Wir sind gegen Abtreibung und
Kinderfeindlichkeit". Auch ein Kreuz hält einer, ein anderer ein großes
Jesusbild.
Ein paar Meter weiter, hoch über ihnen, hängt am Balkon der Pro Familia-Beratungsstelle
auch ein Banner: "Fundamentalismus verhüten - Piusbrüdern
entgegentreten. Selbstbestimmung für alle!" Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Beratungsstelle beobachten die Demo, mal vom Balkon, mal
von der Straße aus. Auch die Gegendemonstranten haben Plakate bei.
"Wenn Gott Schwule hasst, warum sind sie so schön?" steht auf einem,
"Homophobie - Geißel der Dummheit" auf einem anderen. Eine junge Frau
trägt ein Schild mit der Aufschrift: "Deine Religion ist deine
Privatsache - Mein Körper gehört mir - Frauen sind keine
Gebärmaschinen".
Eine Frau, die während einer Einkaufstour mit
ihrer Tochter im Teenageralter zufällig in die Demonstration geraten
ist, steht vor dem Möbelgeschäft gegenüber von Pro Familia und ist
ziemlich sprachlos "Ich finde diese Szene hier schockierend. Das ist
eine Sekte. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll."
Ein Mann, der
ebenfalls dort am Straßenrand steht und eine Kaffeemaschine unter dem
Arm trägt, findet deutlichere Worte. "Das ist zum Kotzen!", sagt er. "Es
kann nicht sein, dass Fundamentalisten jedweder Couleur anderen
Menschen vorschreiben wollen, wie sie ihr Leben zu Leben haben. Jede
Frau muss selbst bestimmen können, ob sie ein Kind bekommen will, oder
nicht." Dann läuft er zu den betenden Demonstranten vor. "Haut ab!" ruft
er wütend. "Euch will hier keiner!" Er zeigt den Mittelfinger einer
Hand.
Ein großes Polizeiaufgebot ist im Einsatz.
Die Humboldtstraße wird zu Beginn der Kundgebung quasi abgeriegelt, die
Gegendemonstranten aufgefordert, die Mitte der Straße zu verlassen,
sich auf den Gehweg zu bewegen und Platz für die Piusbrüder-Anhänger zu
machen. Manche weigern sich, und werden von Polizisten sehr unsanft
durch geparkte Fahrräder an den Straßenrand gedrängt. Ein Ring von
Polizisten schützt die betenden Piusbrüder-Anhänger schließlich vor den
Gegendemonstranten. Am Rand dieses Rings branden immer wieder kurze
Wortgefechte zwischen Gegendemonstranten und Polizisten auf.
Eine
knappe Stunde dauert die Gebetskundgebung auf der Straße, dann zieht
der Demonstrationszug unter starken Polizeischutz durch das Martinstor auf die KaJo; die Straßenbahnen können nicht mehr fahren.
Ungefähr
auf Höhe des Modegeschäfts Vero Moda gelingt es rund zwei Dutzend
Gegendemonstranten, sich vor dem Zug der singenden und betenden
Piusbrüder zu positionieren. Die Polizei treibt die blockierenden
Gegendemonstranten unter nicht unerheblichen Geschubse, Gerangel und Geschrei
rund 250 Meter über den Bertoldsbrunnen. Auf der Höhe des Kaufhofs wird
der Demonstrationszug minutenlang festgesetzt, nach mehreren Warnungen
an die blockierenden Gegendemonstranten - "Was sie tun verstößt gegen
das Gesetz" - umringen Polizeibeamte sie, und drängen sie unter die
Arkaden, damit die Piusbrüder weiterziehen können.
Am Rande des
Demozugs verteilen Aktivisten beider Seiten Infomaterial, Passanten
filmen die Demo mit ihren Handys. "Typisch Freiburg!", sagt ein Mann
Mitte Zwanzig, der vor der Drogerie Müller steht, und sein Handy auf
Polizisten und Gegendemonstranten gerichtet hat. "Typisch Freiburg."