(B) Dezentrale Aktionen oder Demo

20/07/2001

Mit Interesse haben wir die Mobilisierung zu einer nicht angemeldeten Demonstration in Berlin am 16.Juli verfolgt. Wie sich die Polizei verhalten wird ist nicht absehbar. Hiermit wollen wir eine Option in die Debatte werfen, die von den (Nicht)Organisator_innen bislang nicht vorgestellt wurde.

 

So wie wir es verstanden haben, soll die Demonstration einen Bezug zum Kiez in Kreuzberg haben, mithin also keinen Krawall gegen die dortige Nachbarschaft führen. Damit würde sich normalerweise eine andere Gefährdungsanalyse (aus Sicht der Polizei) ergeben als beispielsweise eine Demonstration durch die City. Das die Polizei durchaus Kosten und Nutzen abwägt, hat sich am 1.Mai gezeigt, als sie eine Sponti in Kreuzberg laufen ließ um keine Randale zu provozieren.

Jedoch ist die Berliner Polizei gegenwärtig in einer Führungskrise. Innensenator Körting möchte um jeden Preis den Bundespolizist Hansen zum neuen Polizeipräsident ernennen, der schon durch die Tötung eines Abschiebehäftlings in Frankfurt gezeigt hat aus welcher Richtung der Wind weht. So ist es kein Wunder, das Körting mit diesem Wunsch alleine steht; alle anderen Politiker_innen befürchten eine Zuspitzung auf den Strassen Berlins wenn Hansen seine Vorstellung von innerer Sicherheit verwirklichen kann.

Jetzt hat das Verwaltungsgericht die Ernennung gestoppt.

Manchem Hardliner in der Polizeiführung wäre Hansen grade recht gewesen, das schlaue Vorgehen von Glietsch gegen linke Demonstrationen war zwar erfolgreich, passte aber nicht mit dem Weltbild der Bereitschaftspolizei überein, die sich in Berlin lieber als Strassenkampfarmee gebärdet, denn als ausgestreckte Hand.

 

Möglich also, dass am 16.Juli Einsatzleiter oder Unterführer den Krawall suchen um dem Ruf nach dem Hardliner Hansen mehr gewicht zu geben. Es wäre nicht das erste Mal, bereits am 1.Mai 1989 fuhr die Einsatzleitung einen politisch Kurs, damals gegen den rot-grünen Senat.

Ausserdem ist unter den Vorzeichen des Wahlkampfs, in dem das Thema "linke Gewalt" Stimmen bringen soll, damit zu rechnen, dass die Demonstration am 16.Juli nicht unter den Aspekten der Vernunft begleitet wird, sondern das Tonfa und Pfeffer die Bilder einer wehrhaften Demokratie illustrieren sollen.

 

Wir wollen deshalb an das überflüssige Zerkloppen der Demonstration nach der Räumung der Liebig 14 erinnern, als die Polizei sich zwar an einigen ausgeschlagenen Zähnen und gebrochenen Knochen der Demonstrant_innen erfreuen konnte, im Übrigen aber für den Rest der Nacht schlecht aussah.

 

Für den Fall, dass die Demonstration am 16.Juli in Kreuzberg von der Polizei verhindert oder überfallen wird (und wirklich nur für diesen Fall), rufen wir zu dezentralen Aktionen in den nächsten Wochen auf.

Damit erkennen wir die militärische Überlegenheit der Polizei an, kollektive und friedliche Meinungsäusserungen auf der Strasse zu unterdrücken und weichen aus auf den überraschenden und unkontrollierbaren Moment, den das dezentrale Konzept in einer Großstadt bringt.

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Wenn die Bullen die Demo angreifen sollten (was nicht unwahrscheinlich ist).. wäre es doch eigentlich effektiver wenn es bundesweit kleine und größere dirkete Aktionen gegen Staat und Polizei geben würde, oder? 

Wenn ihr uns aufhaltet machen wir die gesamte Stadt kaputt!!!!!

 

A.C.A.B.

Wie sich die Polizei verhalten wird ist nicht absehbar.

Und danach kommt im Text die volle Bandbreite von Spekulationen. Diese werden auf eine angebliche "Führungskrise" der Berliner Polizei bezogen. Die Polizei hat jedoch ein hierarchisches Konzept und wenn es keinen "Polizeipräsidenten" gibt, dann hat der oder die Nächste im Rang das Sagen. Die Berliner Polizei wird zur Zeit von ihrer Vizepräsidentin Margarete Koppers geführt. Da gibt es keine Krise! Wer davon schwafelt, hat zuviel in den Käseblättern geschaut.

 

(Margarete Koppers war übrigens noch vorletztes Jahr als Vizepräsidentin des Berliner Landgerichts aktive Richterin. )

 

Dass das Verhalten der Polizei nicht absehbar ist, ist richtig. Auf der Strasse ist jeder Polizist Herr und jede Polizistin Dame der eigenen Faust, des eigenen Pfeffersprays und der eigenen Schusswaffe. Und "Befehle" der "Führung" lassen sich, wenn überhaupt nur danach z.B. per Prozessbeobachtung  oder Strafanzeigen nachvollziehen. Beispielsweise "den Gang durch die Institutionen" hat es bei der Polizei nicht gegeben, und so vielleicht einige Möglichkeiten verspielt. (In der Politik und der Justiz hat dieser Gang aber eher einen bitteren Beigeschmack bzw. hat kaum funktioniert.)

 

Zur "Organisierung"

 

Von "Organisator_innen" zu schreiben, ist mehr als falsch. Es gibt organisierende Personen, aber eben keine "Organisation". Hier scheint, dass die Menschen, die den Text "(B) Dezentrale Aktionen oder Demo" geschrieben haben, entweder zu wenig / zu einseitig diskutieren oder sich nicht mit den Unterschieden von Organisierung und Organisation auseinandergesetzt haben. Hier wird zu sehr ins alte Muster zurückgefallen!

 

Ebenso stört, dass "Straf- bzw. Rachebedürfnis" einiger, die sich mit Aufrufen beteiligen. Da reicht allein das Foto zu diesem Artikel: http://linksunten.indymedia.org/de/node/41383 - "Rache für ..." hat nichts mit reflektierten Verhalten zu tun. Das ist sogar noch schlimmer als bundesdeutsches Strafsystem. Also ist noch nicht einmal "links". Obwohl nur plakativ, gab es hier in Berlin einige andere Ansätze. Erschreckend ist, dass diese "Racheslogans" und der Ruf nach "Straflosigkeit" (ohne geeignete alternative Konzepte zu entwickeln) von dem selben Personenkreis kommt. In u.a. Mexiko sind einige Menschen schon weiter, und haben erkannt, dass auch "Straflosigkeit" genauso wie "Strafe" ein Feind der emanzipatorischen Gesellschaft sein kann.

 

Eine Demonstration ist die Aktionsform, die den meisten Menschen ermöglicht teilzunehmen.

Dem widerspreche ich, und meine: "Lebensweise ist die Aktionsform, die allen Menschen ermöglicht teilzunehmen." (Woran eigentlicht? Das hätte ja im Text stehen können.) Militanz beschreibt nämlich genau das - sich nicht starr auf Aktionsformen zu beschränken, sondern jedem Atemzug in einem politischen Kontext zu setzen.

 

Eine nicht angemeldete Demonstration zu machen, ist schonmal ein Schritt entgegen der Starrheit, aber letztendlich muss es weitergehen. Intensiver werden. Wenn Leute demonstrieren, die davon Reden gegen Repression zu sein, und dann schliesslich eine sehr unreflektierte Repression (Rache, Strafe) in der Praxis bevorzugen, dann ist das nichts weiter als ein Unterhaltungsprogramm, bei dem Wasser gepredigt und Wein gesoffen wird.

 

In dem ursprünglichen Aufruf wird dann folgendes, geschrieben:

 

Aber wir sind in der Überzahl und wir handeln ohne Befehl, deshalb werden wir gewinnen.

Dass ohne Befehl gehandelt wird, glaube ich. Weitere hierarchische Übel, nämlich reale oder eingebildete Abhängigkeiten in "Zusammenhängen" wird an dieser Stelle aber nicht beachtet. Woher die Schreibenden aber die Mär von der Mehrheit nehmen, bleibt im Dunkeln. Soviel ich weiss, hat die CDU momentan die politisch aktive "Mehrheit" inne.

 

1000 Menschen sind in Deutschland keine Mehrheit. Auch keine 100.000 Menschen, obwohl diese etwas mehr als 0,1 Prozent der hier lebenden Menschen darstellen. Das sind aber immernoch etwa 4/5 weniger Menschen, als diese, die am Ende der Woche 1. Fussballbundesliga in deutschen Stadien schauen.  Also die falschen Relationen bitte schön steckenlassen!

 

Wohin soll die Reise gehen?

 

Aus den bis jetzt bekannten Aufrufen wird nicht ersichtlich, was die Menschen überhaupt wollen, die am 16. Juli 2011 in Berlin demonstrieren wollen. An den erschossenen Demonstranten Carlo Giuliani erinnern? Na dann erinnert Euch! Wieso dann eine Gefährdung von teilnehmenden Menschen bei dieser Aktionsform riskiert werden, ist mir nicht ersichtlich. Oder geht es doch um mehr? Warum schreibt ihr dann nicht von diesem "mehr"?

 

 

Revolution!?

 

Revolte, Riot, Aufstand, Aufruhr. Wörter die im politschen Kontext immer mehr auftauchen. Doch was bedeuten sie? Im Endeffekt bedeuten sie alle das Gleiche: Eine große Menge von Menschen, die sich gegen momentane (gesellschaftliche/politische) Verhältnisse wehrt.

Der Begriff „Volksaufstand“ macht das noch deutlicher, wie verwischt die Denke vieler inzwischen ist: Es wird versucht zwischen einem Aufstand und einem Volksaufstand zu differenzieren, im Endeffekt jedoch ist ein Aufstand bereits dadurch gekennzeichnet dass er durch ein Volk (bzw. zumindest der Mehrzahl) durchgeführt wird. Ein Aufstand wird nicht organisiert, er entsteht durch Gruppen-/Massendynamik. Es ist dann eine unkontrollierbare Situation, durch die Regierenden ebenso wie durch die „Aufständischen“. Es kann durchaus noch interveniert werden, von allen Seiten, kontrollierbar aus „Bekämpfern“ könnte er jedoch erst werden wenn wirklich viel „rangekarrt“ wird, und hier stellt sich dann die Frage nach Menschenwürde. (haha!)

 

Doch wenn in Berlin zum „Riot“ aufgerufen wird, wenn ein besetztes Haus geräumt wurde, kann genauso von naiven jugendlichen Aktionismus gesprochen werden – eine brennende Mainzer Straße, Hafenstasse, ein brennendes Rostock-Lichtenhagen, oder ein paar Barrikaden am Kottbusser Tor sind eben noch lange keine Riots.

Was hier passiert ist etwas anderes: Hier toben sich Menschen aus, sind wütend, emotionsgeladen. Es werden also Emotionen mit Politik verbunden, jedoch ist bei der Umsetzung eines gesellschaftsveränderten Prozesses vor allem Rationalität von Bedarf.

 

Was ihr macht ist: euch austoben, wütend sein, ergo Emotionen mit Politik verbinden - jedoch ist bei der Umsetzung eines gesellschaftsveränderten Prozesses vor Allem Rationalität von Bedarf.

Will sagen: kickboxt, macht Arnis, geht joggen, sorgt für Teamgeist, beginnt endlich zu lieben, anstatt euch ständig und dauerhaft gegenseitig zu dissen, haten oder zu mobben - entwickelt politisch und persönlich mehr Effektivität (sic!).

 

Diese ständige Drohung nach Riot ist doch peinlich - glaubt ihr ernsthaft es interessiert dieses faschistoide System, die Regierenden, die Mächtigen, die Kapitalisten, wenn da mal ein Bulleneinsatz ist, der paar hunderttausend Euro kostet?

Wenn Scheiben von (Luxus)hotels, -boutiquen, -lofts oder Banken eingeworfen werden? Vor Allem wenn Banken schon im Vorfeld, Zettel an die Tür hängen ("ab 01.05. Wartungsarbeiten..", Karl-Marx-Str.), oder bereits neue Scheiben bestellt haben (Haspa, Schanze)...

 

Es interessiert keinen. Höchstens den Konsumenten eines (Boulevard-)Blatts, und der wäre wichtig, denn das sind oftmals Menschen der Arbeiterklasse - die generalstreiken könnten.

Also wenn ihr das überhaupt wollt, Revolution und so, und wie überhaupt? Sozialismus? (beachte: Grundgesetz, Entschädigung von Kapitalisten bei Enteignung), Anarchosyndikalismus? (Wie ohne Syndikate?)...

 

Oder wollt ihr womöglich doch lieber eine Parallelgesellschaft mit Zugriff zum kapitalistischen Markt mit Bioprodukten, Youtube und eurem Mobiltelefon? Utopie im kleinen ausleben, in Hausprojekten in denen die Ticker (Gras, Sterni, Vokü) irgendwo drin sind und das Leben angenehm gestalten, dadurch dass ihr euch die Birne blockiert und euch an eurem Vegetarismus aufgeilen könnt, und ein gutes Gewissen habt. Obwohl alle 7 Sekunden in der BRD physische Gewalt in Beziehungen stattfindet (es ist übrigens nicht immer der Mann der ausübt..), obwohl alle paar Sekunden weltweit irgendwer an Hunger verreckt. (jaja, das könnt ihr ja nicht verhindern, aber dagegen tun tut ihr auch nischt..)

 

Fünfzehntausend Menschen standen vergangenen Mai 3,4 Mio anderen gegenüber. Bzw. bundesweit: nicht mehr als 100 000 den restlichen 81 Mio. Denn solange sie möglicherweise nur heimlich solidarisch sind, brauchen wir nicht von einer Revolte sprechen - und überhaupt, Revolte - das ist doch albern, das endet im Krieg. Wenn ihr Krieg haben wollt spielt die RAF nach und geht sterben.

 

Jeder Stromausfall der Hannover lahmlegt, jeder Brandanschlag an einem Verkehrsknotenpunkt (B-Ostkreuz ist gemeint), jeder Vulkanausbruch der Asche in die Atmosphäre wirft (Eyjafjallajökull) und die Wirtschaft (teilweise) lahmlegt und die Menschen dazu bringt/zwingend miteinander zu interagieren, anstatt zu Hause zu kabelfernsehn', ist mehr wert als eine beschissene Demonstration (demonstrare „zeigen, hinweisen“), brennende Autos , oder Investition von Zeit und Arbeitskraft in ziellose (!) politische Arbeit – und ziellos ist sie ja, größtenteils.

 

Macht mehr Basisarbeit, lebt in solidarischer Ökonomie, reflektiert und analysiert euch, eure Umgebung und eure Utopie, beginnt zu lieben und erst dann (sic!) klandestin zu arbeiten.

 

Achso Hasselmann, du liest das ja sicher: Lass dir gesagt sein, du bist ein dummes Arschloch!

fast verzweifelt, wie hier sehr oft eine - womöglich internationale - arbeiterklasse herbeiimaginiert wird, die es dann irgendwie zu befreien gilt. in kombination mit zahlreichen verweisen auf ein bestimmtes buch eines karl m. (nicht moik) nimmt das züge einer christlichen milleniumssehnsucht an.

wo das wohl herkommt?? antwort der wahl hier in berlin: aus dem ländle!

interessante Ansätze. Dennoch ist der Erfolg, das richtige Leben im Falschen zu führen nicht immer garantiert, in den meisten Fällen ist er doch zu Scheitern verurteilt. Ganz einfach, weil wer sich entscheidet, die Scheiße nicht mehr mitzumachen, für den hält das System ganz bestimmte mechanische Inhärenzen bereit, das wissen wir alle. Eine solidarische Ökonomie wird - eingegliedert in einer kapitalistischen Gesamtökonomie - nicht bestehen können, weil sich in letzter nur reproduziert, wer konkurrenzfähig bleibt, sprich, wer am besten das ökonomische Profitprinzip verinnerlicht. Für die im Mittelmeer ersaufenden Flüchtlinge bringt es nichts, wenn ich einfach bloß in meinem fancy shmancy basisdemokratischen Hausprojekt gepowert von Schwarmkraftwerken aus Solar, KWK etc. im Fairtrade-Pullover am gemeinschaftlichen WG-Tisch darüber sinniere, wie schrecklich doch die Welt ist. Solange mensch nicht darauf hoffen kann, dass irgendwo wieder eine Offshore-Anlage leckt, eine AKW oder ein Vulkan in die Luft fliegen, müssen Demonstrationen und andere politische Aktionen diese Ideen direkt auf der Straße artikulieren, mediale Aufmerksamkeit erzeugen und dafür sorgen, dass ihre Thematik in den medialen und damit gesellschaftlichen Diskurs gerrückt wird um damit eine Änderung der politischen Verhältnisse zu erwirken.

Das symbiotische System aus Staat, Nation und Kapital ist durch keine einzige Demonstration derart zu erschüttern, dass damit direkt ein Umsturz der herrschenden Verhältnisse erreicht wird. Da hast du vollkommen Recht. Weder am 1. Mai, noch bei irgendwelchen G8/G20-Gipfeln. Der Weg muss der einer Werte-Revolution sein, mensch muss sich endlich überlegen, für was mensch wirtschaftet, für was mensch arbeitet - das Stellenwert-Ranking muss sich grundlegend ändern. Aber ohne Aufklärung, ohne Einflussnahme auf die Öffentliche Wahrnehmung - nur durch Mund-zuMund Propaganda, indem ich die nächste Person in meiner Nähe von den Vorteilen meines FairTrade Pullovers überzeuge, wird mensch da keinen Stich sehen

Die hier angebrachte Kritik gegenüber dem Artikel ist argumentlos. Die Kritik an den Menschen die sich davon positiv angesprochen fühlen, ein reproduzierendes Diktieren eigener Wahrnehmungen, die in dieser Form nicht der Realität entspricht.