Erlebnisbericht zur "IMK-Auflösen-Demo" in Frankfurt/Main

IMK auflösen

Am 22. Juni demonstrierten nach Abschluß der Innenminister-Konferenz der deutschen Bundesländer (IMK) rund 2.000 Linke gegen das Arbeitstreffen der für Abschiebungen, "Antiterrorgesetze", Überwachungsmaßnahmen und die Intensivierung polizeilich-militärischer Kooperationen in Deutschland maßgeblich verantwortlichen Politiker.

Auf dem Treffen vom 20. bis 22. Juni im Frankfurter Intercontinental Hotel wurde von Gesetzesvorlagen zum Alkoholverbot über die Kontrolle der Prostitution bis zu Maßnahmen im "Kampf gegen den innerdeutschen Terror" so einiges diskutiert und geplant. Bereits am Montag demonstrierten AbschiebegegnerInnen im Flughafen. Zur Bündnisdemo "IMK" auflösen am Mittwoch hier nun ein kleiner Erlebnisbericht.

 

Nach fetten Niederschlägen im Laufe des Tages zog bei warmen Temperaturen und zunehmenden Windbrisen im Laufe des Mittwochnachmittag ein sonniger Himmel auf. Ich und ein Freund treffen uns zur Bezugsgruppenbesprechung in einer Frankfurter Altbauwohnung. Wir sind etwas spät dran, kommen aber noch gerade richtig zur erneuten gegenseitigen Vorstellung - andere waren auch später dran - und setzen uns in den Kreis. Wer will mit wem laufen und wie; was sind die letzten Infos der Demoorga-Gruppen; wer geht wie weit in welchem Fall, wer fühlt sich wie fit; wie lautet die Nummer des Ermittlungsausschuss(EA); gibt es einen Plan B oder C; wo treffen wir uns nach der Aktion? Zahlreiche Fragen sind zu klären, in etwa einer Stunde geht die Demo los.

 

"Handys aus" heißt es wie üblich bei unserer Ankunft. Selbstverständlich haben wir schon vor dem Eintreffen in der Bankenmetropole die ätzenden Teile ausgeschaltet. Sollte die Kommunikation auf der Aktion es erfordern, würden anonyme "Aktionshandys" eingesetzt. Die Demo soll vom Rossmarkt zum Tagungsort im Intercontinental ziehen, wo die Repressionsministerien wohl noch ein letztes Essen planen. Das Mobilisierungsbündnis reicht von kurdischen Gruppen über anarchistische und Antifa-Zusammenhänge, die Ökolinx und das kommunistische ...Ums Ganze-Bündnis, hin zu einer Interessensgruppe der Prostituierten und Bleiberechts-Gruppen.

 

Die Stadt ist voller Bullen und es wird erstmal von viel Repression ausgegangen, die Gruppe ist jedoch ziemlich heterogen - eine Person trifft später auf andere GenossInnen und will um keinen Preis eine Konfrontation mit der Polizei - Sie klinkt sich aus. Die Verbleibenden teilen sich in Untergruppen auf und bilden Tandems, um besser aufeinander achten zu können. Wir wollen uns nichts gefallen lassen und reden über Ausweichpläne, sollten die Bullen uns zu sehr beengen oder gar versuchen die Demo zu verhindern. Nach dem Ausdenken von Spitznamen die ich und mein Tandem füreinander verwenden, wird sich umgezogen und aufgebrochen. Trinkwasser, ein kleiner Snack und Wechselklamotten sind das A und O bei einer solchen Aktion, zum hinkommen und für den Demostart wird auf "Dunkelbunt" gesetzt, es soll vorerst keinen klassischen schwarzen Block geben.

 

Wir verabreden uns im vorderen Teil der Demonstration und gehen Tandem für Tandem über unterschiedliche Wege zum Kundgebungsort. Mit über einer halben Stunde Verspätung erreichen wir den Rossmarkt, wo ein Großteil der Redebeiträge vorgetragen oder abgespielt wird. Pressemenschen werden gebeten sich mit blauen Armbändern auszuzeichnen und zur Medien-Infostelle zu kommen. Weiße OrdnerInnen-Binden müssen verteilt werden und die Auflagen der angemeldeten Demo werden verlesen. Etwa 1.400 Menschen füllen den Platz unweit der Hauptwache. Am IG-Farben-Campus ziehen knapp 100 Menschen in einer parallel-Aktion "IMK-Wegbassen" in Richtung unserer Demo, die sich erst nach 19 Uhr so langsam in Gang setzt.

 

Es beginnt recht lahm, die Bullen halten sich zurück und laufen nicht Spalier. Auch mit den Verhandlungen um die Route scheint alles rund zu laufen, so langsam bildet sich eine motivierte Demo und immer mehr Leute schließen sich dem Aufzug an. Zu bemängeln sind wenige Seitentransparente und ein vorerst recht dicht auffahrender Lautsprecherwagen, der teilweise die Parolen an der Demospitze übertönt. Eine Polizeistation am Rande der Demo wird mit Flaschen und Farbe beworfen, kleiner heiterer Moment am Rande, der zur Komplettbehelmung der Bullen führt. Nun dürften es knapp 2.000 sein, einige laufen in Ketten und wenige vermummt. Es geht entlang der Paulskirche und nach einer weiteren Kundgebung in Richtung Bahnhofsviertel. Lautstark wird gegen die Politik der IMK, die kapitalistischen Verhältnisse und Rassismus skandiert, hier und da erleuchtet ein Bengalo die abendliche Frankfurter Innenstadt.

 

Die Bullen filmen immer offensiver, wogegen sich nur teilweise aktiv gewehrt wird. Zwar sind immer mehr Greiftrupps zu sehen, dennoch halten sie meist die Distanz und schließen die Demo nicht zu offensichtlich ein. Immer mehr Leute bilden Ketten und lautstark geht es durchs Bahnhofs- und Rotlicht-Viertel in Richtung des Intercontinental. Viele Menschen bekunden hier ihre Solidarität am Rande der Demonstration, bleiben stehen, greifen zu Flugblättern. Einige Bullen reagieren aggressiv auf als Clowns-SoldatInnen verkleidete Protestierende, Festnahmen verhindert die Demo jedoch mehrfach entschlossen.

 

Der Tagungsort gleicht Fort Knox: häßlich, klotzig, groß, kalt, Superlative die vorzüglich zur Politik der IMK passen. Hunderte Bullen tummeln sich links der Demo hinter Hamburger Gittern, behelmt, mit Schildern, gestreßt, reizbar. Rechts dutzende Presse-VertreterInnen - Die Bullen, die Demo und die Medien unter sich. Was drinnen passiert ist nicht ersichtlich, es heißt die InnenministerInnen seien schon abgereist. Aus der Demo scheint die Luft nach knapp zwei Stunden draußen zu sein, aber der Schein trügt. Als wir den etwas sinnlosen Stop am Intercontinental beenden und wieder in Richung Bahnhof ziehen bekommt die Versammlung nochmal richtig Schwung. Schön ist zu sehen, dass die gekommenen Anarchos, Autonome, verschiedenste Kommies, Ökos, BürgerrechtlerInnen und Antiimps den ganzen bundesdeutschen Spaltungsscheiß zuhause gelassen zu haben scheinen. Teils wird zwar konkurrierend skandiert, dennoch ist ein Gefühl des Zusammenhaltens und der Solidarität vorhanden wie ich es in Frankfurt auch schon ganz anders erlebt habe.

 

2.000 wütende, unuterbrochenes Skandieren, viel Energie, kein Pappenstiel und die Bullen immernoch zurückhaltend. Am Bahnhof bekommt die Demo nochmal mehr Pepp, entlang der Friedrich-Ebert-Anlage und in Richtung Bockenheim gibt es einige Laufeinlagen und Pyros. Mehrere in Richtung Bullen geworfene Böller landen im forderen Teil der Demo, so ein Scheiß. Dennoch bleibt die Stimmung motiviert, einige Schubsereien mit den Bullen beginnen, diese fangen an zunehmend hektisch zu werden, Rauchschwaden füllen die Abendluft. Aus dem Hochhaus vor dem Senkenbergmuseum wird ein antifaschistisches Transparent herausgehängt, mit Bengalos und fliegenden Klopapierrollen grüßen Vermummte die vorbeiziehende Demo.

 

Beim Eingang zum Campus Bockenheim gibt es noch ein paar Rangeleien, wegen aggressiv auf Clowns reagierende Bullen. Erneut führt das entschlossene Auftreten der Demonstration zum Abzug der Behelmten und der Campus wird betreten. Einige singen zum Abschluß die Internationale, erschöpfte Bezugsgruppen finden sich wieder und improvisiert wird erneut besprochen was zu besprechen ist. Vor dem traditionellen linken Campustreff Café-KoZ beginnt eine Party mit elektronischer Musik. Wir setzen uns um ein Bier zu trinken und zu bereden, ob noch was geht. Einige verabschieden sich, andere wollen in Ruhe essen und später wieder dazustoßen.

 

Aus dem Plan noch etwas zu besetzen wird heute nichts mehr. Hunderte Bullen belagern auch über eine Stunde nach Demoauflösung noch immer den Campus. Während einige feiern, entscheiden andere nach etwas Verschnauf-Pause die verbliebenen Hundertschaften anzugreifen. An der Bockenheimer Warte stehen etwa fünfzehn Bullenkleinbusse. Mehrere hundert entscheiden ihre Unversöhnlichkeit mit den Repressionsorganen auszudrücken, indem sie die "Wannen" mit Steinen, Leuchtspur, Flaschen, Farbe und Feuerlöschern angreifen. Barrikaden werden improvisiert und Mülltonnen brennen in der Umgebung. Nachdem die Bullen an der Warte eingedeckt sind, ziehen Teile der Autonomen ans andere Ende des Campus. Stationierte Bullentrupps und vorbeifahrende Polizeifahrzeuge werden mit Wurfgeschossen traktiert. An der Bockenheimer Warte ziehen zahlreiche Bullen mit Schildern zusammen, rund zweihundert Vermummte stürmen ein weiteres Mal in Richtung der Schärgen, um sie erneut anzugreifen. Diesmal müssen einzelne Trupps sogar die Flucht ergreifen, sehr erfrischend.

 

Zwar drehen die Bullen jetzt hohl und scheinen alles zusammen zu ziehen was zur Verfügung steht, doch nach einem letzten Angriff der mit Tränengas beantwortet wird, ist die Luft bei uns endgültig draußen. Zwar hatten die Bullen unter ihren Gasgranaten der Windrichtung wegen am meisten zu leiden, doch irgendwann ist der Zeitpunkt reif abzuziehen. Noch einige Stunden lang schwadronierten Autonome auf dem und rings um den Campus, vorerst schien es als würde es nun weitere Angriffe der Bullen oder gar eine Räumung des Studierendenhauses geben, wie bereits zur Zeit der Studiengebühren-Proteste. Nach einigen Stunden war jedoch alles ruhig und bis auf vereinzelte Kontrollen und insgesamt zwei Festnahmen gab es keine weiteren Repressalien zu verzeichen.

 

Wir entschlossen uns spät nachts für den Heimweg. Mit besseren und schlechteren Episoden war die Demo aus meiner Sicht insgesammt erfolgreich. Zwar ist das Motto "Wir kommen um zu stören" für eine Demonstration am Abend des letzten Tages einer Konferenz wenig umsetzbar, dennoch konnte gezeigt werden, dass sich viele zum Protest gegen den Überwachungs- und Repressionswahn der Innenminister mobilisieren lassen. Große Teile der Demo waren gut organisiert und auf der Straße erlebten zahlreiche PassantInnen die gegen Staat und Kapital vorhandene Wut.

 

Für das nächste IMK-Treffen in Wiesbaden im Dezember ist Protest vorprogrammiert, doch letztlich stören wir durch alltäglichen Widerstand, durch unsere ständige Unversöhnlichkeit mit den ParlamentarierInnen und ihren Bullen, mit den Institutionen der Macht und den Symbolen des Konsums. Wir kommen wieder und wir sagen nicht wann... Die Nacht gehört uns und der Aufstand wird kommen!

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hat wer bilder von dem tag?

mhm...netter Tagebucheintrag. Aber was soll das, eure Strukturen hier offen zu legen? Wen interessiert es wann ihr euere Handys ausgemacht habt, wie ihr euch in der Bezugsgruppe organisiert habt, dass ihr euch auf der Demo umgezogen habt, dass ihr zum Treffpunkt der Demo in 2er Teams hin seit, oder dass einer keinen Bock auf Krawall hatte??? Mal überlegt wen das interessiert???

solche demobasics findet mensch in jeder zweiten autonomen postille oder aktionsleitfadenlektüre. hier wird es nur nochmal veranschaulicht und auch - scheinbar gezielt - für weniger erfahrene aktivist_innen klargestellt. auch eine person sich "ausklingt" und anderes vorhat finde ich völlig ok zu erwähnen. was davon jetzt fiktiv ist oder nicht...? weiss mensch nicht, spielt auch keine rolle. strukturen werden mit so einem - sehr netten - erlebnisbericht m.e. keine offengelegt. handys aus, bezugsgruppen, 2er gruppen, wechselklamotten, dass weiss jedes zweite kind - der text denkt für jedes erste mit ;)

Das einer kein Bock auf Krawall hatte ist das einzig Gute an dem Bericht, der wohl von nem ober coolen Superantifamacker geschrieben wurde der sich ja riesig gefreut hatte das es wohl kleine Randale gab.Nicht ein einziges Wort zum Inhalt, aber mehrere Absätze über kaum nennenswerte Scharmützel und das Umgehen von Bullenschikane - was genau soll ich mit so einem Bericht anfangen? 5 vergeudete MInuten meines Lebens.

Einfach traurig was für dumme Gewaltfetischisten sich mittlerweile als Autonome bezeichnen....

Hm, Inhalte Fehlanzeige. ok ist ein Demobericht - aber  klingt für mich total langweilig - so nach "außer Randale nix gewesen". Aber ich find ja auch Actionfilme langweilig ;-)

"In dieses Bild passt, dass DemoteilnehmerInnen eine Gruppe von zivilen Polizeiprovokateuren tatkräftig aus der Demo entfernen mußte."

http://www.fau.org/artikel/art_110623-190458

Gibs dazu mehr Infos?

hier ein paar bilder von der agfreiburg übernommen (quelle):

 

 

 

 

 

Fehlende Seitentransparente sind wohl daher zu erklären, dass es eine offene und informative Demo werden sollte ohne geschlossenen, militanten schwarzen Block der in Ketten an der Spitze läuft.