München: Naziaufmarsch am 8. Mai blockiert

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Für den 8.Mai hatte die Münchner Neonazigruppe „Freie Nationalisten München“ einen Naziaufmarsch im Münchner Südwesten angekündigt. Dank antifaschistischer Gegenaktionen und einer erfolgreichen Blockade mussten sie nach wenigen hundert Metern umdrehen. Statt gleich nachhause zu gehen, wurden sie allerdings - nach vom Anmelder angekündigten „Aktionen in der Innenstadt“ - in Unterbindungsgewahrsam genommen. Zuvor nahmen 700-800 Menschen an einer Antifa-Demo in der Innenstadt teil.

 

Anfang April hatten die „Freien Nationalisten München“ um Phillipp Hasselbach einen „Trommel – und Fackelmarsch“ im Münchner Südwesten angekündigt. Ihr Ziel war es am 8. Mai, dem 65. Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus vom Schweizer Platz in Fürstenried nach Großhadern zu ziehen. Dabei wollten sie auch am Flüchtlingslager in der Tischlerstarße vorbeiziehen und an der Kriegsgräberstätte am Waldfriedhof Halt machen. Doch dies war nicht der einzige Grund warum sich die Münchner Neonazis diesmal den Südwesten zum demonstrieren ausgesucht hatten. NPD-Multifunktionär Roland Wuttke hatte in der Nähe des Schweizer Platzes eine Immobilie angemietet, die fortan als „Nationales Jugendzentrum“ und „Versammlungshaus“ der NPD Tarnliste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ dienen sollte. Doch dieser Plan wurde schon vor Abschluß der Renovierungsarbeiten von Antifas vereitelt.

 

Gegen den geplanten Naziaufmarsch regte sich schnell und für Münchner Verhältnisse ausgesprochen breiter Widerstand. Zum einem gab es ein Bündnis diverser linker und linksradikaler antifaschistischer Gruppen und ein breites eher „bürgerlich“ geprägtes Bündnis in Fürstenried und Hadern unter starkem Engagement der Bezirksausschüße und der Anwohner_innen. Erstere bereiteten vor allem die eigenständige Demo in der Innenstadt vor, bei der es neben der Verhinderung des Naziaufmarsches auch darum gehen sollte, den 8. Mai als Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus zu feiern und weitergehende antifaschistische und linke Forderungen und Inhalte auf die Straße zu tragen. Zweitere bereiteten eher das Bürgerfest „München ist bunt“ in Fürstenried vor. Eine vom Bayrischen Flüchtlingsrat geplante Kundgebung vor dem Flüchtlingslager in der Tischlerstraße war nicht möglich, da die Regierung von Oberbayern als Eigentümerin des Geländes dies nicht zulies.

 

Die linke Demonstration startete mit einer Auftaktkundgebung am Rindermarkt und ging dann lautstark und kämpferisch über den Marienplatz, das Tal über Isartor und Altstadtring zum Sendlinger Tor. An der Demo, die stark von linksradikaler Seite geprägt war nahmen zwischen 700 und 800 Menschen teil, was als Mobilisierungserfolg betrachten werden kann. Zu einem Zwischenfall kam es als im Tal ein (wahrscheinlich betrunkener) Passant „Sieg Heil“ rief und den Hitlergruß zeigte. Hier kam es zu einer kleineren Rangelei mit dem USK.

 

Ansonsten lies sich die Demo nicht vom Polizeiaufgebot beeindrucken. Die Polizei hatte vor der Demo angekündigt, dass, sollte es zu Aufrufen zu Straftaten kommen, sich die polizeiliche Ermittlungen so lange hinziehen würden, dass mensch die Kundgebung in Fürstenried nicht rechtzeitig erreichen würde. Davon lies sich die Demo allerdings nicht einschüchtern und machte mit Parolen wir „Wer stoppt die Nazis? - WIR“, „no pasaran“ oder „Füchtlinge bleiben – Nazis vertreiben“ klar, dass es darum gehen würde, den Naziaufmarsch vor dem Flüchtlingslager in der Tischlerstraße zu stoppen. Nach der Demo machten sich die Leute mit der U-Bahn auf nach Fürstenried. Um nervigen Polizeikontrollen in der abgesperrten U-Bahn-Station Fürstenried West zu entgehen, stieg der Großteil der Antifas schon eine Station vorher aus und konnte so mit guter Stimmung und ohne Polizeibegleitung zur Kundgebung gelangen.

 

Gegen 17:00 starteten ca. 150 ankommende Antifas einen ersten Blockadeversuch an der Kreuzung Tischlerstraße/Forst-Kasten-Allee. Diese wurde allerdings relativ zügig von der Polizei geräumt, wobei es zu einer, uns bekannten, Festnahme kam. Zunächst beruhigte sich die Situation bevor gegen 18:00 eine Gruppe von 150 Menschen die Route betrat und blockierte. Die Polizei schirmte die Blockade daraufhin ab und hinderte weitere Demonstrant_innen an einer Teinahme an der Blockade. Immer wieder schafften es allerdings Gruppen von Antifaschist_innen auf verschiedensten Schleichwegen auf die Blockade. Nach dem diese auf mehrere hundert Personen angewachsen war, lies die Polizei auch die am Rand stehenden Menschen auf die zuvor noch durch Bereitsschaftspolizei und USK abgeschirmmte Tischlerstraße. Gegen 18:30 waren viele hundert Menschen auf der Route und viele andere säumten die Naziroute vom Schweizer Platz an über sie Graubündenerstraße. Die bürgerlichen Veranstalter_innen sprachen von ca. 4500 Teilnehmer_innen an den Gegenaktionen.

Die etwa 80 Nazis gingen mit einiger Verspätungum 19:15 am Schweizer Platz los, mussten aber, dank der antifaschistischen Blockade nach wenigen hundert Metern schon wieder Richtung Schweizer Platz umkehren. Das Gerücht, die Polizei würde den Nazis eine Ersatzroute freimachen, bestätigte sich nicht. Die große Zahl an Gegendemonstrant_innen und deren spürbare Entschloßenheit die Nazis zu stoppen, dürften daran einen bedeutsamen Anteil gehabt haben. Nachdem die Nazis zurückgingen folgte ihnen ein Teil der Gegendemonstrant_innen, wobei noch einge Gegenstände auf die Nazis flogen. Phillipp Hasselbach, Anführer der „Freien Nationalisten München“ und Anmelder des Marsches kündigte aufgrund der verkürzten Route spontane Aktionen in der Innenstadt an, die Polizei genehmigte diese allerdings nicht, woraufhin Hasselbach großmäulig ankündigte, diese dennoch durchzuführen. Daraufhin wurden die 80 Nazis von der Polizei in Unterbindungsgewahrsam genommen und mit einer Sonder-U-Bahn ins Polizeipräsidium in der Ettstraße gebracht.

 

Abschließend lässt sich sagen, dass der Tag ein klarer Erfolg einer kontinuierlichen linksradikalen und antifaschistischen Arbeit in München ist. Sicherlich hat die Breite des Bürgerfest, dass bis in CSU und Kirche reichte, mit dafür gesorgt, dass die Polizei nicht mit der sonst bekannten Brutalität die Blockade räumt. Allerdings ist es auch ein Erfolg linksradikaler und autonomer Antifas, die sich stark an der Blockade beteiligten und mit einer linksradikalen Demonstration in der Innenstadt eigene radikale Inhalte auf die Straße tragen konnten. 700-800 Gegendemonstrant_innen auf der linksradikalen Demo, davon viele hundert im Schwarzen Block. Das ist als Erfolg zu werten, gerade auch vor dem Hintergrund der zeitgleich in Nürnberg stattfindenden Antifademo, aufgrund des brutalen Angriffs des Neonazis Peter Rausch vom „Freien Netz Süd“ auf einen antifaschistischen Jugendlichen. Den Nürnberger und Fürther Antifas gilt dabei unsere Solidarität gegen die Nazis. Dem Genossen wünschen wir eine gute Genesung und alles Gute.

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bitte hören wir doch endlich mal auf mit dieser selbstbeweihräucherung. das die tag an sich ein erfolg war, klar. die demo in der innenstadt war sehr schön, wenn auch gegen ende ein wenig lang. gute inhalte, viele leute erreicht, viele leute mitgenommen, mehr davon!

doch wir müssen uns wirklich eingestehen, dass das was in fürstenried west passiert ist, zu 100% politisch gewollt wenn nicht sogar abgesprochen war und unsere teilnahme daran nicht das geringste am geplanten verlauf des tages geändert hat. ob wir die blockade, die zu 110% nur als tolle demokratie und toleranz kulturfest aktion weiterverbreitet wird, als antifaschistischen erfolg werten, oder aber lieber unsere eigenen inhalte verbreiten wollen, dass ist eine frage, die man sich in münchen stellen muss...

Die Blockade wure von Bürger_innen, auch ältere Semester, gestartet. Die Bullen haben die Strasse nach kurzer Zeit abgeriegelt, um ein weiteres Anwachsen der Blockade zu verhindern. Ab da kamen eigentlich nur noch jüngere Antifas durch, etwa auf Schleichwegen durch den Wald, durch überhüpfen der Gitter, drängeln etc. Bei den Versuchen, das zu verhindern gab es mindestens eine brutale Festnahme. Die Bullen hatten (versteckt im Wald) einen Wasserwerfer am Start, ausserdem ein paar Reiter_innen. Soweit die Beschreibung, nun zur Analyse: Bei dieser Zusammensetzung der Blockade und der öffentlichen Auseinandersetzung wäre der politische Preis einer Räumung hoch gewesen, auch bei vorhandenem politischen Willen dazu. Es wäre den Bulllen aber möglich gewesen, ein weiteres Anwachsen der Blocakde weiter zu erschweren. Was dafür spricht, dass das Durchsetzen des Naziaufmarsches nicht die hohe Priorität hatte wie sonst in München. Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie eine halbe Hundertschaft USK vor 30 älteren Gestalten steht und sagt "sorry, wir können die nicht räumen" und bin mir nicht sicher, wie der Tag ohne uns ausgegangen wäre. Insgesamt aber ein guter Tag: Flop für die Nazis, gute linksradikale Antifademo die mehr erreichte als nur die Szene, weniger Stress und Repression für die radikale Linke als z.B. der Heldengedenkmarsch. Und Politiker_innen erählen sich öfters gegenseitig (und allen die nicht flüchten) wie toll Demokranz ist und wie gut doch das beste aller Deutschlands. Diesmal war das Teil einer Grosswetterlage, die den Faschos einen Flop beschert hat, das nächste mal dann wenn eine U-Bahn eingeweiht wird.

Hier der Redebeitrag der r/am (http://ramuc.blogsport.de/) auf der Antifa-Demo am Marienplatz:

 

Heute, am Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, wollen mal wieder Neonazis in München aufmarschieren. Der heutige Naziaufmarsch stellt sich klar in eine NS-Tradition und will Täter und Täterinnen zu Opfern verklären. Das dies nicht hinnehmbar ist, sollte klar sein und umso erfreulicher ist es, wenn sich möglichst viele Leute diesem entgegensetzen wollen. Es scheint, als wären heute alle gegen die Nazis. Doch wir müssen erkennen, dass diese rechte Ideologie nicht aus dem Nichts entsteht und Nährböden bis weit in die Mitte der Gesellschaft findet.

 

So zum Beispiel im neuen deutschen Nationalismus, wie er spätestens seit der Fussball-WM 2006praktiziert wird, und dessen neuer Hype uns wohl im Juni diesen Jahres wieder bevorsteht. Millionen Menschen, die sich unter dem Deckmantel eines guten und unpolitischen Patriotismus verstecken, werden wieder Schwarz-Rot-Goldene Fahnen schwenken und sich somit zum nationalen Kollektiv bekennen. Dass dieses Kollektiv nichts anderes ist, als das offene und volle Bekenntnis zum Nationalstaat Deutschland mit all seinen Facetten und Widerwärtigkeiten, davon will dann wieder niemand etwas hören. Deutschland führt mit anderen Nationen zusammen weltweit Krieg, um seine Stellung auf dem kapitalistischen Weltmarkt zu behaupten. Ein Bekenntnis zu Deutschland heißt also ein Bekenntnis zu Krieg und Kapitalismus!

 

Dass dieser Nationalismus außerdem denen in die Hände spielt, die ganz rechts außen stehen, und durch die Funktion des Ein- und Ausschlusses im nationalen Kollektiv eine rassistische Stimmung geschürt wird, ist dabei die logische Folgerung. Nicht zuletzt bei der Fussball-WM wurde in den Medien bewusst eine abwertende Haltung gegenüber allem Nicht-Deutschen reproduziert, was bis in rassistisch motivierte tätliche Angriffe auf den ach so friedlichen Fanmeilen gipfelte.


Um bei diesem Rassismus gleich anzuschließen: Auch die CSU will heute in Fürstenried gegen die Nazis auf die Straße gehen. Aber wir erinnern uns doch alle noch an ihren rassistischen Wahlkampf, als 2007 zwei Jugendliche einen Rentner in der Münchner U-Bahn zusammenschlugen. Dass die Nazis direkt an diesen von CSU, Bild-Zeitung und anderen Medien praktizierten Rassismus anknüpfen konnten und sich weder in den Themen noch in der Wortwahl unterschieden, zeugt von dem tief in der Gesellschaft verankerten rassistischen Gedankengut.


Ein radikaler Antifaschismus heißt mehr als nur den Nazis und ihrem menschenverachtenden Weltbild auf die Pelle zu rücken. Ein radikaler Antifaschismus muss vor allem gegen die Zustände vorgehen, die die ganze Scheisse erst hervorbringen. Der Kampf gegen die Nazis sollte dabei nur unabdingbare Notwendigkeit sein, um wenigstens dem schlimmsten Übel der bürgerlichkapitalistischen Gesellschaft Einhalt zu gebieten. Deshalb lasst uns den Tag der Befreiung feiern, gemeinsam gegen den Naziaufmarsch in Fürstenried West vorgehen, dabei aber niemals vergessen, unsere eigenen Inhalte auf die Strasse zu tragen, denn schließlich geht es um mehr als nur um die Nazis! Es geht um die Abschaffung von Staat, Nation und Kapitalismus! Es geht ums Ganze!