Erklärung des AK Antifa Mannheim zur Demo "Unsere Wahl: Soziale Revolution"

Am 26.09. - einen Tag vor der Bundestagswahl – veranstaltete das Bündnis „Soziale Revolution“ eine Demonstration durch die Mannheimer Innenstadt. Etwa 250 bis 300 TeilnehmerInnen folgten dem Aufruf, der Kritik am Wahlzirkus der parlamentarischen Demokratie und der kapitalistischen Produktionsweise formulierte. Die Demonstration wurde bewusst nicht angemeldet. Dies stellt eine neue Praxis in der politischen Landschaft Mannheims dar und ist auch als Antwort auf die geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg zu sehen.

 

Der AK Antifa Mannheim erklärt zum heutigen Tag folgendes:

 

  1. Das Bündnis erzielte einen Erfolg, da die Demonstration unangemeldet durchgesetzt werden konnte.

  2. Die Demonstrationsfreiheit wurde massiv von der Polizei eingeschränkt. Eine Außenwirkung war nur durch laute Parolen zu erzielen. Transparente waren nicht lesbar, da die Demo durch mehrreihiges Polizeispalier eingekesselt wurde. Auch das Verteilen von Flugblättern und das Gespräch mit PassantInnen wurde dadurch unmöglich.

  3. Wir stellen fest, dass es keinen großen Unterschied macht, ob linke Demonstrationen angemeldet werden oder nicht. Auch in der Vergangenheit waren wir mit Repression konfrontiert: Am 3. Oktober 2007 oder am 29. November 2008 bedrängte die Polizei Demonstrationen und schränkte die Freiheit der TeilnehmerInnen ein. Verletzte und Strafanzeigen waren stets die Folgen.

  4. Der Polizeistaat hat aufgerüstet. Heute waren neben der Bereitschaftspolizei auch Spezialkräfte der Beweissicherungs- und Festnahme Einheit (BFE) und Pferdestaffel vor Ort. Diese teils paramilitärisch organisierten Einheiten liefen ohne Abstand direkt neben der Demo, bedrängten, schlugen und traten dabei TeilnehmerInnen ohne ersichtlichen Grund. Die Versammlung wurde flächendeckend videoüberwacht. Die Polizei versuchte, einzelne TeilnehmerInnen einzuschüchtern, indem sie ihnen mitteilte, sie würden später sowieso alle auf dem Videomaterial der Polizei identifiziert. Nach der Demo erteilte die Polizei Aufenthaltsverbote für die TeilnehmerInnen, z.B. für das Blumenpeterfest am Wasserturm – eine rechtlich fragwürdige Praxis. Während der Demonstration kam es sogar zu Übergriffen auf Sanitätsdienste, die sich um Verletzte kümmern. Trotz allem ließen sich die Demonstrierenden nicht einschüchtern, liefen bis zum Ende geschlossen und setzten sich mit kreativen Aktionen, auch außerhalb des Polizeikessels, gegen den Überwachungsstaat zur Wehr.

  5. Das veranstaltende Bündnis teilte mit, dass das Mannheimer Ordnungsamt nicht auf ein Gesprächsangebot des Bündnis einging. Ein Kontakt wurde angeboten, jedoch nicht wahrgenommen. Die Stadt Mannheim, die sich gerne als liberal und offen darstellt, hat stattdessen den Einsatz Polizeikräften überlassen – größtenteils kasernierte Einheiten von außerhalb.

  6. Anders als die Ordnungskräfte haben Mannheimer PassantInnen und LokalpolitikerInnen ihre liberale Grundhaltung zum Ausdruck gebracht. Lautstarker Protest an den Einsatzkräften der Polizei war am Paradeplatz zu hören. „Lasst sie doch in Ruhe laufen“ riefen alte und junge Menschen. StadträtInnen und Bundestagsabgeordnete, die zwecks Wahlkampf auf der Straße waren, entschieden sich spontan dafür, mit der Polizei zu verhandeln und sich für die Demonstrationsfreiheit einzusetzen.

 

Der Erfolg des Tages ist die erste Durchsetzung einer öffentlich beworbenen, unangemeldeten Demonstration in Mannheim. Diese symbolische Aktion des Ungehorsams ist ein weiterer Schritt gegen den Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, der auch in Mannheim vollzogen wird.

 

Informationen zum „Bündnis Soziale Revolution“ und zur Demonstration finden sich unter http://sozialerevolution.blogsport.de

 

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Nicht überall, wo Demokratie drauf steht, ist Demokratie drin .... Der Begriff "Demokratie" hat heute eine beinahe religiöse Bedeutung, weil er weltliche Erlösung verspricht. Und damit lassen sich sogar politische Kreuzzüge rechtfertigen. Über das Wesen, den Sinn, die Notwendigkeit und Vorrangigkeit der Demokratie gibt es unter den Geistes- und Humanwissenschaftlern, Parteien, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Politikern und aktiven Bürgern keine einheitliche Meinung, was vor allem daran liegt, dass ein gründliches Nachdenken für alle recht peinlich enden dürfte.

Wenn man gegenüber dem Ordnungsamt das Stattfinden seiner Demonstration anzeigt, dann handelt es sich damit um eine angemeldete Demonstration. Darüber hinausgehend wurde ja sogar die vorgesehene Route und eine Kontaktnummer angegeben. Dass diese dann verboten, nach Verhandlungen mit der Polizei aber doch durchgesetzt wurde, ist ein zweites Paar Schuhe. Letzteres verdient Anerkennung, wurde so doch dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit (bzw. dem Menschenrecht, sofern man sich nicht auf den Staat als Garant stützen möchte) Geltung verschaffen. Dies ist bei radikalen Demonstrationen jedoch regelmäßig erforderlich. Die Behauptung, zum ersten Mal wäre eine offen beworbene Demonstration in Mannheim unangemeldet durchgesetzt worden, trifft jedoch aufgrund des Gesagten schlicht nicht zu. 

VersG § 14 (1) Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden. (2) In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll. Insbesondere letzterem wurde sich aus politischen Gründen bewusst verweigert. Kooperation mit dem Ordnungsamt kann durchaus sinnvoll sein, z.B. wegen Verkehrumleitungen. Das ist etwas anderes, wie die Kooperation mit der Polizei.